Mit einiger Verzögerung - ursprünglich war die Scheibe bereits für letztes Jahr angekündigt - erscheint mit "Have Gun, Will Travel" das erste Thrash-Album bei Iron Kodex Records. Und das glänzt schon mal mit einem coolen Cover von Markus Vesper (u.a. MANILLA ROAD und zuletzt auch A TORTURED SOUL) im Ed-Repka-Stil, welches nicht nur deutlich auf den musikalischen Inhalt hinweist, sondern gleichzeitig zumindest bei einer bekannteren Band für einigen Ärger sorgen würde angesichts der heutigen Amoklauf-Problematik (die der Titelsong dementsprechend auch zum Thema hat). Sei es drum, REZET würden sich bestimmt auch nicht über ein wenig Publicity beschweren und die Welt wird ganz gewiss nicht noch schlechter durch die vier Jungs aus dem hohen Norden. Im Gegenteil: Für Thrash-Fans wird sie durch deren ersten Longplayer (vorher gab es bereits zwei Demos und eine EP) sogar ein bisschen besser.
Es poltert nach kurzer Beethoven-Marsch-Einleitung bereits beim instrumentalen Einstieg "Red Alert" gut los und schnell wird klar, dass die vier Jeans- und Turnschuhträger keinerlei moderne Ambitionen hegen. Nicht nur der Sound ist auf "Have Gun, Will Travel" äußerst ursprünglich und unpoliert ausgefallen und dass Bands wie SLAYER zu den Helden von REZET zählen, kommt da nicht überraschend. Dies zeigt sich dann speziell nicht nur durch die Spielzeit der Scheibe mit ihren schlanken, durchtrainierten 36 Minuten, sondern auch beim Titelsong und Nummern wie "Fallen Angels". Ein Song wie "Toxic Avenger" hat dabei neben einem DESTRUCTION-Einschlag auch was von ANNIHILATOR in deren Frühphase, und KREATOR sind auf dem Album ebenso wiederholt rauszuhören, wie die ganz alten METALLICA und EXODUS. Mehr aber noch sind es MEGADETH die hier ständig durchklingen. Das liegt neben der absolut nicht einförmigen und ziemlich technischen Gitarrenarbeit gerade auch an Sänger (und Gitarrist) Ricky Wagner, der nicht nur bei Songs wie "Metal Rite" und "Altar Of Satan" wie ein junger Dave Mustaine klingt (was durchaus positiv gemeint ist; live macht er seine Sache vermutlich sogar besser als der Rotschopf - was allerdings auch nicht so schwer ist).
So ganz arg wilde Maniacs, die wahllos den Knüppel aus dem Sack holen, sind REZET daher auch nicht. Oft am Rande zum Speed Metal weisen die Songs immer nachvollziehbare Strukturen auf, selbst wenn sie wie bei "Steamrolling Our Society" mal vertrackter werden, und der Gesang ist auch ohne Textblatt stets verständlich (die Texte sind im Booklet natürlich dennoch vorhanden). Quasi als Bestätigung erklingen bei "The Last Breath" dann sogar akustisch-balladeske Töne, bevor sich die Nummer gerade auch vom Tempo her zum vielschichtigsten Song des Albums entwickelt.
Wer an der musikalischen Nadel hängt, sollte seine Gier noch ein wenig im Zaum halten, in Kürze erscheint die Platte über High Roller Records auch als Platte... äh... als Vinyl.
FAZIT: Das äußerst junge Quartett aus der Nähe von Wacken (ich konnte es mir nicht verkneifen, auch wenn das Festival vermutlich nur wenig Einfluss auf das Bestreben der Jungs gehabt haben dürfte) löst keine neuen Impulse im Thrash Metal aus, kommt mit der Idee "Back To The Roots" nicht als erstes und hat mit seinem Debüt auch noch kein Monster erschaffen. Aber ein kurzweiliges und unbekümmertes Stück lebendiges Metall, das trotz des zeitlichen Abstands zu den Ursprüngen sehr authentisch klingt. Und auf das die Band im Lauf ihrer weiteren Karriere stolz zurückblicken kann.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.09.2010
Sascha "Hoschi" Marth
Ricky Wagner
Thorben Schulz, Ricky Wagner
Bastian Santen
Iron Kodex Records
36:00
21.07.2010