Nach je zehn Veröffentlichungen bestimmt das norwegische Label Metronomicon Audio traditionsgemäß seinen Standort. Dies ist allerdings die einzige liebe Gewohnheit der Nordlichter, denn musikalisch kann hier alles geschehen, ohne zu müssen - und mehr, zumal die Tracks weitgehend exklusiv bleiben ...
Die Besprechung eines Samplers ist eigentlich müßig, denn wenigen kommt im Nachhinein eine Schlüsselrolle zu, die sie zur Zeitlosigkeit erhebt; andere hingegen geraten zu persönlichen Soundtracks - besitzen also vor allem subjektive Qualitäten - oder sind bereits ohnehin als solche angelegt, nämlich in der Regel für Filme. Mit Metronomicons viertem zumindest würde sich ein solcher quietschbunt und dennoch nicht geschmacklos gestalten. CENTER OF THE UNIVERSE empfehlen sich mit rhythmisch querschlagendem Elektrorock für eine Hörermehrheit zwischen Disco und Mensa; dann lassen sie sich das Stimmungszepter von den melancholischen PILEMIL sowie HANNYs aus der Zeit gefallenem, urtypischem Skandinavien-Folk aus der Hand nehmen. Vieles klingt hier wie aus den Siebzigern und dennoch frisch und stringent in einem Umfeld aus Prozessoren und Mikrochips. Vor allem die zahlreichen Laptop-Botaniker aus den Staaten mit ihren ungewaschenen Haaren mögen sich hier bitte ein positives Beispiel nehmen. Trotz der Polarisierung Natur-Technik entschlüpft dem Landei ERGO ein Wirrnis wie SATANICPORNSHOP aus dem in musikalischer Hinsicht in der Regel exzentrischen Japan, ohne dass man sich vor den Kopf gestoßen vorkommt. Die Songreihenfolge wurde ferner mit bedacht gewählt, der Dynamikumfang völlig ausgelotet, was man an den Stützpfeilern Kammerstreicher in Gestalt von CHARLIE ALEX MARCH einer- sowie ANDRE BORGENs Klangwällen andererseits festmachen kann.
Auch verhältnismäßig bekannte Namen wie THE SAMUEL JACKSON FIVE, die nicht zum Firmenkader gehören, aber sich kenntlich für Metronomicons Grenzsprenger-Message zeigen, finden sich auf dem Sampler ein. Ihr Postrock ist spannungsreicher als der manch hochgehandelter Kollegen, weshalb ihr Insider-Status ebenso befremdet wie der nicht aus dem Solarium stammende, authentische Beatles-Sonnenschein von MAGNUS MORIARTY, der sich in seiner Versponnenheit gleich noch den Gandalf-Hut aufgesetzt hat. Von keinesfalls unterkühlter Moderne bis hin zu altertümlicher Elfenhatz ist also alles vertreten.
FAZIT: Neuerer und Traditionalisten kommen mit "4.0." auf ihre Kosten. Wer überhaupt keine Vorbehalte gegen Musik hegt, ist hier bestens aufgehoben, auch wenn weite Teile wohl im Neusprech unter "Indie" durchgingen - auch egal, wenn die Trefferquote bei nahezu 100 Prozent liegt, denn entweder hat man es hier mit potenziellen Hits oder unheimlich interessanten Klangexperimenten zu tun, wobei die Mischung genau stimmt.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.04.2010
Metronomicon Audio
76:38
13.04.2010