Postcore, -metal, Progcore … genau diese Spartenbegriffe versprechen seit jeher alles und nichts. In der Regel steckt nimmt man die Substanz und Langlebigkeit des Bezeichneten als Maßstab, weniger Fortschritt dahinter, als die Namengeber kolportieren. SAPHENA nun werden in diesen Sack gesteckt und behaupten sich dort zunächst einmal durch die Verwendung ihrer deutschen Muttersprache als originelle Vertreter. Was noch?
Andreas Hermman macht sich gut verständlich, wenn er auch wenig flexibel zwischen obligatorischem Schreien (gerne) und Zärteln (seltener) changiert. Die Musik dazu beruht auf feisten Riffs, klingt oft noisig wie bei "Ich sehe mich", was SAPHENA bisweilen einen MESHUGGAH-Anstrich schenkt; auf deren ödes rhythmisches Mühlespiel (Stichwort: Steine schieben) beschränkt man sich dankenswerterweise nicht ausschließlich. Bezüglich der Textinhalte fragt man sich andererseits, was die Macher so echauffiert, denn was sie dem Hörer in erster Linie vermitteln, ist Wut und Hass auf mehr oder weniger anonymes Gegenüber. Dabei bleiben die Assoziationen so allgemein, das die Einfühlung leicht fällt; originell und vor allem aufrichtig wirkt es indes nicht - gemeinsam mit den Hart-Zart-Strukturen der Kompositionen sogar arg vorhersehbar wie in "Golden". "Das Erbe" hingegen zerfasert am Ende wegen unerschließbarer Soundspielereien, was auch durchweg für "Atme Licht" gilt; der Titel deutet unterbewusst an, wie sperrig SAPHENA hier agieren, ohne es wahrscheinlich wirklich zu wollen.
Als Glanzlichter des Albums erstrahlen das tragische "Mehr als einen" (tolles Finale) sowie "Bis zuletzt" wegen des hörbaren Aufwands, mit dem die Musiker noch nicht an jeder Straßenecke auffindbare Ideen gesammelt und schlüssig aneinandergereiht haben. Ihr Songwriting kann die Gruppe wie erwähnt noch stark verbessern; dann wird auch ein Zehnminüter wie der Rauskicker kein Langweiler mit zahlreichen guten, aber letztlich wenig effektiv verschwendeten Ansätzen.
FAZIT: SAPHENA haben Schneid und Potenzial, berühren mit ihren kantigen Ideenreihungen jedoch zu selten, als dass man "Das Ende einer Wahrheit" als Highlight bezeichnen könnte. Dafür muss man die Band aber auch nicht einem mehrheitlich prätentiösen Genre zurechnen, welches sich inhaltlich vermeintlichen Tiefsinn auf die Fahnen schreibt und dann mit dickem Stift hässliche Klangbilder malt oder stümperhaftes Tongekleckse als große Kunst verkauft. Zu diesen Konsorten gehören SAPHENA, eine Hoffnung für die hiesige Szene, definitiv nicht.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.10.2010
Silvia Leistner
Andreas Herrmann, Robert Kunz
Ralph Leistner, Robert Kunz
Axel Kunz
Whirlwind Records
53:15
24.09.2010