Schwebende Panzer reichen als Metapher noch nicht ganz aus, um zu beschreiben, wie effektiv der Genrekreuzer SEARCHING FOR CALM auf "Celestial Greetings" bleierne Sperrigkeit mit geradezu tänzerischer Leichtfüßigkeit verbindet. Kantige geometrische Figuren geleiten in ein Album, das aufgrund ungerader Takte, dissonanter Tonkörper, stets im Wechsel begriffener Stimmungen und roher Produktion verdammt schwer zu verdauen ist und letztendlich dann doch flutscht wie ein Abführmittel.
Verständlich, dass man da sofort an THE MARS VOLTA denken muss. Tatsächlich ist von AT THE DRIVE-IN aus gesehen aber eher die SPARTA-Abzweigung genommen worden. Darauf weisen alternativrockige Songgerüste hin, die allerdings von einer Post-Punk-Legierung geerdet werden. Nimmt man dann noch die monochrome Härte von DREDGs "Leitmotif" dazu, insbesondere in Verbindung mit der dortigen Entschärfung durch die helle Stimme von Gavin Hayes, dazu eine Prise vom SKUNK ANANSIE-Geist und addiert die ursprünglichen Einflüsse von STEVE ALBINI, FUGAZI und SONIC YOUTH hinzu, dann setzt sich das Puzzle langsam zusammen.
Darüber hinaus ist "Celestial Greetings" in erster Linie ein Album geworden, das einen Kampf mit sich selbst austrägt – was nicht negativ verstanden werden sollte. Dem Bandnamen, der einen ruhelosen Zustand suggeriert, wird es damit mehr als gerecht. Obwohl jede Hoffnung auf ein harmonisches Zusammenschließen der zahllosen Einzelteile am Ende vergebens bleiben muss, wissen die Polen ohne jeden Zweifel, wie man Dynamik erzeugt. Sie entsteht durch geschicktes Verbinden einander entgegengesetzter Genrebestandteile, die ansonsten lose im Raum schweben.
Auch die polnische Ausbildung bleibt wieder unübersehbar. Einmal mehr ist es vor allem der Sängerposten, auf dem sich der polnische Markt immer mehr Vorsprung verschafft. Den Dialekt hört man Michal Maslak noch an (sehr deutlich beispielsweise auf dem punkigen "Airs and Graces"), aber dem schrägen, auf den Überraschungseffekt ausgelegten latenten Avatgardismus des Albums begegnet er mit ebenbürtiger Schrägheit, die dann auch mal hier und da schiefen Gesang erfordert – in ein fragiles Stück wie "Celestial", dem provisorischen Ruhepol, legt er im Gegenzug viel Gefühl.
FAZIT: Minütlich wechseln die musikalischen Referenzen. Ein inneres Metronom, das den Takt gleich und die Einzelteile beisammen hält, fehlt – und doch kann "Celestial Greetings" bei Laune halten, erfreuen, begeistern. Dazu jedoch muss man akzeptieren, dass es permanent in einem ruhe- und heimatlosen Zustand verweilt. Hektik und Unzufriedenheit mit allen Ufern, die erreicht werden, das sind die Eckpfeiler, die SEARCHING FOR CALM ausmachen. Daraus resultieren ständig neue musikalische Ansätze, die den Hörer enorm fordern. "Celestial Greetings" geht mit der Geschmeidigkeit einer geometrischen Pyramide in die Ohrmuschel, aber wer die Mühe aufbringt, seinen Gehöreingang zu einem Dreieck zu formen, dem wird das stimulierte Hirn es danken.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2010
Piotr Gruenpeter, Jakub Basek
Michal Maslak
Michal Augustyn, Michal Maslak
Bartosz Licholap
Mystic Production
52:30
08.11.2010