Die Deutschen SEEDCAKE passen mit ihrem melancholischen Indie- bis Artrock ins aktuelle Musikgeschehen wie die Faust aufs Auge: Hang zur Selbst- wie Gesellschaftsreflexion durch die Studentenbrille bei gleichzeitiger Liebe zu den Klängen der 70er und 90er, das mutmaßliche Pomp- und Plüsch-Jahrzehnt wohlweislich ausgesparend …
Der Einstieg wäre mit dem eindringlichen "Slaves To The Sun" besser gelungen als über das verhaltene "The Walls". "Anymore" klingt dann weniger nach den Live-Säuen, welche SEEDCAKE angeblich auf den Bühnen geben, als nach einer Mischung aus britischem "The"-Band-Tanztee sowie RADIOHEAD-schem Klanglabor; nicht umsonst fungiert der Track als Single, welche ein fettes Label garantiert in die Hitlisten hieven würde. Auch "Dime Novel" und "Parallel Lines" stellen leichtfüßige Hymnen dar, angesichts derer man die Gruppe nicht wie zunächst in den Kontext von Landsleuten wie RPWL stellen möchte. Andererseits: SEEDCAKE sprechen - in diesem Stück mit begleitender Frauenstimme - redegewandter als käsige Disco-Nerds von der Insel, welche das prinzipiell tanzbare Material dieser Musiker weniger detailverliebt, sondern vorlaut herausposaunen würden. Indem SEEDCAKE dies unterlassen, schaffen sie nachhaltigere Stücke.
Mit "Pulse" fällt man seufzend in ein Bett aus Herbstblättern, nur um sich zum Chorus von "Free" aufzuraffen und den Alltag mit all seinen kleinen Tragödien wieder anzupacken, weil das Leben am Ende doch lebenswert ist. "Everything Must Go" erhält man mit gratis Gitarrensolo und markantem Keyboard-Einsatz als Einsicht, doch derart kämpferisch zeigen SEEDCAKE sich eben nicht durchweg. Dass sie sich nachfolgend immer wieder zügeln, macht den Reiz von "Melancholia" aus - dem Titel zum Trotz keine anhaltende Heule-Heule-Platte, sondern ein Wechselbad der Gefühle, gleichwohl immer bei angenehmer Temperatur; frieren muss man im nahen Herbst damit jedenfalls nicht. Auch schön: der besonders zuversichtlich stimmende Abschlusstrack "Empty Frames", dessen vordergründiger Resignation im Text eher weiser Gleichmut entspricht, so man das euphorische Spiel der Instrumentalisten berücksichtigt.
FAZIT: SEEDCAKE passen zu Alternative wie neuerem Prog und damit in den CD-Schacht von sensiblen, aber nicht verzärtelten Gemütern, die Kunstrock nicht aus dem Elfenbeinturm hören möchten, sondern von Alltagsmenschen gespielt, wie sie - ja, wie wir alle es sind. Menschliche Musik in Zeiten kalten Kalküls auf allen Ebenen der Gesellschaft ist von immensem Wert.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.09.2010
Yogi
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55:46
24.09.2010