Nach mehreren Eigenproduktionen veröffentlichen die bereits seit vielen Jahren aktiven THARSYS mit „Under Her Dead Hands“ erstmals ein Album über ein Label. Man könnte die Band aufgrund einiger typischer Stilelemente, wie etwa dem Wechselgesang zwischen Mann und Frau oder den atmosphärischen Keyboards, vorschnell dem Gothic Metal zuordnen. Bei genauerer Auseinandersetzung stellt man jedoch fest, dass THARSYS weit mehr zu bieten haben und auf der Basis verschiedenster Einflüsse ihren eigenen Sound gefunden haben. So steht man „richtigem“ Heavy Metal weitaus näher als die meisten Vertreter des Gothic, was sich in vielen schweren Riffs und kraftvollen Schlagzeug-Parts äußert. Diese offenbaren sowohl Einflüsse aus dem Doom-Bereich, als auch stellenweise einen dezenten Thrash- und Death-Einschlag. Gleichzeitig streuen THARSYS aber immer wieder sehr schöne, melancholische Gitarrenharmonien und ruhige, verträumte Akustikpassagen ein, die manchmal sogar einen leichten Folk-Touch aufweisen. Die Keyboards unterstützen dagegen meist eher unauffällig die Stimmung.
Das Gesangsduo von THARSYS besteht zwar nicht aus überragenden Stimmen, die beiden versuchen jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Abwechslung zu sorgen und die Gothic-Klischees zu umschiffen. So trällert Sara Lauhoff weder Opernarien, noch säuselt sie in allzu lieblicher Manier. Zwar klingt ihre Stimme oft ein wenig „naiv-unschuldig“, dies aber auf sehr natürliche Weise, und sie singt auch schon mal etwas kraftvoller. Sie steuert jede Menge schöne Melodien und eingängige Hooks bei, die passend zu ihrem Ausdruck oft ein wenig schlicht wirken, was jedoch auch einen gewissen Charme ausstrahlt. Frank Kronnagel ist sicher auch kein großer Sänger, bemüht sich jedoch sehr um Abwechslung. Wo stilistisch ähnlich gelagerte Bands lediglich zwischen Gegrunze und Geseufze wechseln, bietet er die ganze Palette dazwischen. Das geht von melodischem Klargesang und verzweifeltem Klagen über aggressives Shouting bis hin zu tiefem Growling und höherem Kreischen.
Nicht nur im gesanglichen Bereich, auch im Songwriting steht die Abwechslung an erster Stelle. So klingt kein Track wie der andere, und auch innerhalb der meist recht langen Stücke gibt es immer wieder kleine Wendungen. Jeder Song scheint eine Geschichte zu erzählen und ist dementsprechend strukturiert, wobei die einzelnen Parts wiederum keinesfalls kompliziert klingen, sondern sehr eingängig gestaltet wurden. So beginnt etwa „Coldblood“ zunächst als folkloristische Ballade und verwandelt sich später in einen hymnischen Gothic-Banger. „Seven“ klingt zunächst beschwörend, düster und eindringlich, bevor einige härtere und schnellere Passagen folgen, die fast in Melodic-Death-Bereiche vordringen. Das Ganze mündet schlussendlich in einen mitreißenden, melodischen Refrain von Sara.
THARSYS lassen sich immer wieder etwas einfallen, um nicht vorhersehbar zu klingen. So überrascht „Master Of Humanity“ mit New-Age-Klängen vom Keyboard, wie man sie aus den Achtzigern von Bands wie CLANNAD kennt (erinnert sich noch jemand an „Robin of Sherwood“?). Stücke wie „Infernal Love“ oder „Devilseed“ könnte man fast als düsteren Progressive-Rock und –Metal bezeichnen, jedoch weniger technisch gesehen, sondern eher aufgrund der Melodien, Strukturen und Stimmungen. Einige Male schimmern auch MY DYING BRIDE als Einfluss durch, vor allem im passend betitelten „Black“. Ähnlich wie die Engländer setzt man hier auf die Kombination aus schweren, finsteren Doom-Riffs und traurigen Geigenklängen. Trotz aller Abwechslung schaffen es THARSYS, ein einheitliches Gesamtbild abzuliefern. An einigen Stellen wirken die Kompositionen jedoch ein wenig konfus, etwas zu lang und müssten besser auf den Punkt kommen. So weiß man manchmal gegen Ende eines Stückes nicht mehr genau, wie es eigentlich angefangen hat. Jeder Song wirkt wie eine kleine Reise, was mal besser und mal weniger gut funktioniert. Dabei schafft es die Band jedoch immer, Emotionen zu vermitteln.
FAZIT: Mit „Under Her Dead Hands“ gelingt THARSYS ein stimmungsvolles und abwechslungsreiches Album. Trotz aller Vielfalt verfügt die Band über eine ausgeprägte eigene Identität und gestaltet ihre Stücke sehr eingängig. Aufgrund einiger nicht ganz schlüssig strukturierter Stücke und leichten Schwächen im gesanglichen Bereich bleibt noch genug Raum für Verbesserungen, dies sind jedoch keine schwerwiegenden Mängel. Liebhaber düsterer Metal-Klänge sollten auf jeden Fall einmal reinhören.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.02.2010
Uwe Lerch
Frank “Ali” Kronnagel, Sara Lauhoff
Oliver Schneider, Lumpi Lauhoff
Sara Lauhoff
Kralle
Yonah Records
52:15
29.01.2010