Hat WOLFGANG PETRY zu viel BÖHSE ONKELZ, KLAUS LAGE, FREI.WILD und DIE TOTEN HOSEN gehört? „Sünder vor dem Herrn“, der Opener dieses Pamphlets, könnte diesen Eindruck erwecken. Was auch immer diese vier Rheinland-Pfälzer dazu bewogen haben mag, UNHERZ zu gründen und vorliegendes Album aufzunehmen: Ich möchte von diesem Gesöff bitte auch einen Hektoliter geliefert bekommen, um mir die vergangenen 41:33 Minuten dauerhaft aus dem Gedächtnis zu saufen.
Hohes Identifikationspotenzial für jedermann berge dieser Zehntracker in sich, heißt es auf dem Pressezettel, doch alleine der Gedanke, sich parolenklopfender Stammtischklientel zugehörig zu fühlen, treibt mir den Angstschweiß auf den Stirn. Ohnehin ist es ganz schön anmaßend, da von „jedermann“ zu reden – ein beachtlicher Teil der Menschheit ist ja schon schon ganz schön blöd in der Birne, aber bestimmt nicht „jedermann“. Da besteige ich lieber meinen elitären Thron und halte mich für etwas Besseres.
Wenn eine Band mit so viel widerlicher Plakativität in völlig platten, mit abgedroschenen Metaphern gespickten Texten, gepaart mit sangriaeimerkompatiblen Songs, agiert, ist das einfach zu viel des Guten. Hölle, Hölle, Hölle! Da wirken selbst die ONKELZ in ihren proletenhaftesten Phasen wie ein Club Hochintellektueller. Kostproben gefällig? Gern geschehen:
„Die Zeit heilt alle Wunden“ - eine Ballade, die einem die Tränen in die Augen treibt, doch nicht vor Rührung, sondern der Fremdscham wegen...
„Zwanzigzehn“ - ein WM-Song, der tönt wie das Scheitern in der Qualifikationsrunde...
„Amok“ - der vertonte BILD-Artikel...
„Die Bestie“ - eine Abrechnung mit den (selbstverständlich absolut verachtenswerten) pädophilen Geistlichen, die im UNHERZ-Stil eher wie eine pubertäre, fast infantile, schnell hingerotzte Hasstirade wirkt und genau so gut jedem anderen gelten könnte, der voll doof ist und dem armen Klaus immer aufs Pausenbrot gespuckt hat.
Ja, das Elend hat viele Gesichter.
Kommt, Jungs, für die nächste Platte geht da bestimmt noch mehr! Es haben sich in letzter Zeit doch wieder mehr als genug Katastrophen angehäuft. Schreibt nun bitte noch einen Song über die Ölkatastrophe, einen über die Brandkatastrophe in Russland, einen über die Überschwemmungen in Asien, einen über die in Ostdeutschland, einen über Ursula von der Merkelwelle, einen über die Benzinpreise, einen über das Wetter, einen über Loddarmaddäus, einen über die neueste DSDS-Skandalnudel, einen über die Loveparade, einen über Lady Gagas sexuelle Eskapaden, einen über Jörg Kachelmann...
...und dann nehmt ihr eine neue Platte auf, die ihr dann bitte als „Volks-CD“ in Verbindung mit Deutschlands auflagenstärkster Zeitung herausbringt, und zwar auf irgend einem Label, bei dem wir nicht Gefahr laufen, mit einer weiteren UNHERZ-CD bemustert zu werden. Gleichzeitig wird die Zielgruppe perfekt bedient, und auch die älteren Bürger werden an harte Gitarren herangeführt. Ach, Mist, dafür gibt es ja schon "Rock statt Rente!".
FAZIT: Etwaige Ressentiments gegenüber prolliger deutscher Rockmusik sind keinesfalls die Wurzel dieses Verrisses, sondern schlichtweg die Gesamtqualität des Albums - auf Dutzenden ähnlich gelagerten Scheiben findet man deutlich bessere und stilvollere Ergüsse, die der Rebellion des kleinen Mannes entspringen. Das bedeutet abschließend: Für die vereinzelten netten Maiden-Riffs, welche gelegentlich mal angeschlagen werden, gibt es einen Punkt. Für den Rest sollte man Schmerzensgeld verlangen.
Punkte: 1/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.08.2010
Locke
Felix, Locke
Andy, Felix
Bogi
Massacre Records
41:33 Minuten zu viel
27.08.2010