<span style="font-style: italic;">Diese Rezension ist Teil unseres China-Specials. In den nächsten Monaten werden wir Euch haufenweise Bands aus dem fernen Osten präsentieren, die bei uns in Deutschland noch niemand kennt. Am Ende erwartet euch ein großes Feature über die chinesische Rock- und Metal-Szene, das wir mit dem einen oder anderen Interview ergänzen werden.</span>
Für chinesische Extreme-Metal-Bands sind Sampler ungemein wichtig, bieten sie doch eine Plattform, längst bevor eigene Veröffentlichungen es könnten. Als im Jahr 2001 der erste "Resurrection of the Gods"-Sampler erschien, waren die meisten Bands noch nicht über einige wenige Demo-Aufnahmen hinausgekommen.
Für uns, den Konsumenten, haben diese Sampler eine weitere Bedeutung: sie bieten einen querschnitthaften Überblick über das, was zum jeweiligen Zeitpunkt des Erscheinens als vorzeigbar erachtet wurde und damit als repräsentativ für den chinesischen Metal-Markt.
Nach dem Kennenlernen von Alben einzelner, ausgewählter Interpreten muss man sich bei "Resurrection of the Gods V" nun nicht mehr über die technischen Fähigkeiten und das teilweise (!) erstaunlich hohe Produktionsniveau wundern. Wie aber steht es um die Artenvielfalt unter den zwölf Künstlern, die hier versammelt sind?
1. ASSASSIN eröffnen den Metalreigen mit Gitarren nach Art von METALLICA zu Black-Album-Zeiten, einer ähnlich nachhallenden Abmischung und einem Sänger, der zwar grundsätzlich nicht nach Hetfield klingt, in den mit "…eah" ausklingenden Silben hingegen sehr wohl. Dabei wird noch ein technoider, an "Mortal Kombat" erinnernder Synthesizer eingesetzt und später sogar eine kurze Klavierlinie, gefolgt von sehr hohem weiblichen Gesang, den man in westlichen Produktionen so nie hören würde.
2. Atmosphärischer wird es mit LAST SUCCESSOR, die ein ganzes Batallion aufmarschieren lassen und dann mit tief gestimmten Gitarren, treibenden Schlagzeugrhythmen und MESHUGGAH-Schreigesang zum Angriff blasen, um in den Refrains plötzlich melodisch zu werden. Soundeffekte (Ketten, Kampfgeräusche und dergleichen) runden das Metal-Pacing ebenso ab wie ein später hinzukommender Elektro-Beat – Hauptsache, es bleibt schnell und dramatisch.
3. NARAKAMs "Diamond & Rust" habe ich auf dem Album "Burning At Moment" bereits als ein Highlight herausgestellt – der eigentlich recht konventionelle Doom Death sticht mit einem markanten, nahezu tanzbaren Refrain heraus.
4. HYMN OF CHU sind so etwas wie die chinesischen ILL NINO. Shoutings und Metal-Instrumentierung klingen auf "Rising Tide" genau wie die Latino-Metaller aus New Jersey, doch wo diese Flamenco-Gitarren einsetzen, um kulturelle Akzente zu setzen, bekommt man bei HYMN OF CHU traditionelle chinesische Instrumente zu hören – erst- und letztmals so richtig auf diesem Sampler.
5. Melodische Hooks, Death-Geschrei und doppelläufige Gitarren nach Gothenburg-Rezeptur setzen dann FROSTY EVE auf die Speisekarte, ein in diesem Zusammenhang künstlicher Sound, weil ohne irgendwelche eigenen Trademarks; und dennoch möchte man in diesem Entwicklungsstadium nicht die Nachmacher-Keule schwingen, denn hier gelten andere Vorzeichen.
6. FROZEN CROSS mischen Klassik-Elemente in ihren sehr simplen Melodic-Metal-Grundteig, der darauf basiert, dass die Rhythmik, akzentuiert durch gleichmäßige Anschläge auf der Gitarre, pausenlos im 4/4-Takt verharrt, derweil eine sehr hohe, operettenhafte weibliche Gesangsstimme und ein klassisches Zupfinstrument um Jahrhunderte zurückversetzen.
7. RAGING MOB featuren einen rüpelhaften Sängerschreihals mit Thrash- und Postcore-Gemisch, hardrockigen Riffs, einem kleinen Solo und kurzer Laufzeit.
8. CURSE OF ORANGE fahren die Rotzpunk-Schiene mit einem nölenden, nicht singen könnenden Sänger, einfachstem Schlagzeuggedresche und Oi-Chören; mit der rebellischen Haltung beißt sich ein Solo, nicht jedoch die allgemeine Richtungs- und Ratlosigkeit.
9. Was die ganz in schwarz und weiß geschminkten Maskenmänner und –Frauen von EVILTHORN äußerlich vermuten lassen, halten sie nur bedingt ein, nämlich die rabenschwarze Seite: "Next World" ist ein von vorne bis hinten bei METALLICA(wiederum das schwarze Album musste dran glauben) geklauter Riffbrei, eingelegt in Doom- und Post-Metal-Lake.
10. INFIDEL bieten einen der lautesten, schnellsten und auf den ersten Blick mit Sicherheit auch interessantesten Beiträge auf dem Datenträger, obwohl im Grunde nicht mehr dahinter steckt als Gitarren, die als Schrubber missbraucht werden.
11. Bei QIOU HONG kann man endlich auch mal wieder klar gesungene chinesische Silben heraushören, nachdem bislang größtenteils genuschelt und gegrowlt wurde. Die drumtechnisch chaotisch-alternative, beckenlastige Dynamisierung lässt zaghaft an wildere COHEED AND CAMBRIA denken, nur leider fehlt dem Stück "Leave Not" die berühmte Ordnung im Chaos, die einen Song erst hörenswert macht.
12. S.A.W. waren mir bereits vom Album "Young Rebel" bekannt und machen weiter, wo sie aufgehört haben. Sie bieten den mit Abstand modernsten Sound aller auf "Resurrection of the Gods" vertretenen Bands, gleichwohl jedoch nicht unbedingt Neues.
FAZIT: Die chinesische Metal-Szene scheint doch einen Tick facettenreicher zu sein als gedacht: der Fokus liegt zwar wie vermutet auf Death, Thrash und mit Abstrichen Black, doch der Einsatz exotischerer Instrumente und die intensive Benutzung von Keyboards und Synthesizern überraschen. Trotzdem teilen ausnahmslos alle Vertreter ein gemeinsames Merkmal: losgelöst vom europäischen und amerikanischen Markt sind sie nicht lebensfähig. Elemente westlicher Musik finden sich bei ihnen allen und jedes Mal erweisen sie sich als essenziell für den Sound. Das Ziel der Chinesen muss es sein, sich kontinuierlich von diesen Elementen zu emanzipieren und eigene Wege zu gehen. So würde sich der Blick nach China auch für den Europäer und den Amerikaner nicht nur aufgrund des Kuriositäten- und Raritätenfaktors lohnen, sondern auch der Musik wegen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.06.2010
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Mort Productions
61:11
22.03.2008