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Weh: Origins

Stil: Neofolk

Cover: Weh: Origins

Entstand Neofolk im Zuge des Erfolges einer gewissen britischen Musikerfamilie, die in den frühen Neunzigern mit Akustikgitarren und Engelshaar bewaffnet, ungewaschen und in Altkleidersäcken, die Charts stürmte? Natürlich nicht, doch die unbedarfte Talentfreiheit, welche auch viele Kinder beim Nacheifern ihrer Idole ausmachte, besteht auch bei vielen Vertretern des verrufenen Subgenres. Die Wunschvorstellung, das schöne Selbstbild vom einsamen Künstler mit der Gitarre, überwiegt in Gedanken dieser kleinen wie großen Menschen im Vergleich zu ernsten Ambitionen, etwas mehr als nur ein paar Grundakkorde lernen zu wollen. Solch infantiler Dilettantismus als Konzept geht im Falle der Erwachsenen (?) häufig und darüber hinaus eine ungünstige Verbindung mit politisch Fragwürdigem ein, sodass Neofolk bisweilen nicht unbegründet der Ruf konservativ spießiger Vergangenheitsverklärung anhaftet, wenn nicht sogar Schlimmeres. Was WEH nun damit zu tun hat? Nun, musikalisch passt das Projekt von Erik A. durchaus ins Raster; was seine Messages betrifft, verkneift der Mann sich aber alle Fehltritte, wie es scheint.

WEHs genregemäße Gleichförmigkeit nervt tatsächlich auch über zwei Stunden hinweg nicht so, wie wenn andere Vertreter des Stils sich darin ergehen. Dies rührt wohl von der allgemeinen Sparsamkeit der Musik her, die sich nur dem Anschein nach nicht für mehr empfiehlt, als sie nebenbei zu hören. ZUhören darf man nämlich auch, erstens den mitunter naiven Texten, welche Monsieur mit charmantem Akzent vorträgt, und schließlich den gerade inmitten des verhältnismäßigen Nichts an aufregenden Momenten leicht übergehbaren Details. Hinter der Wandergitarre - zugegeben: Rhythmen wenden beziehungsweise wendet auch WEH nicht eben flexibel an - offenbart sich eine allgegenwärtige Kauzigkeit, die nichts mit den üblichen Hemdsärmeln zu tun hat. Hinzu kommt knorriges Grummeln wie in "The Justice Song" oder gar verhalten Positives wie "Hang 'em High". "The War Is Over" fällt länger aus als viele der anfänglichen Fragmente (so wirken die Tracks manchmal) und kommt ebenso ohne Gesang aus wie "Sigars Øyk", der kurze Zipfel am Ende der zweiten CD, auf welcher die ausgefeilteren Lieder zu stehen scheinen.

"Likbør" etwa gerät von der verwendeten Muttersprache abgesehen zwar akkordisch vorhersehbar, trumpft aber auch mit selten gehörter, natürlich minimalistischer Melodiegitarre auf; von Leads zu sprechen, wäre also vermessen. Gleiches gilt für "Heathen Ground", "North" sowie einige weitere Stücke. "Darkness Part Two" wirkt so eigentümlich wie der erste Teil ob der gedoppelten Stimme, besitzt ansonsten aber einen hohen Wiedererkennungswert. Hooks sollte man angesichts des fließenden (tröpfelnden?) Charakters der Musik nicht suchen; im konventionellen Sinn wird man sie nicht finden. "The Men Of Gallow Proud" darf man sich dafür mit anderer Instrumentierung als Shanty vorstellen: sehnsüchtig und melancholisch dienen als adäquate Stichworte, schlüssig auch zur Beschreibung des Folgetracks, den Keyboardschlieren durchziehen. Womöglich besticht die Musik von WEH gerade dadurch, dass man sich vieles dazudenken darf. Alles kann, nichts muss; Minimalismus ist hier sowohl gewollt und gekonnt umgesetzt worden, und "Nihil Interit" - dem Leser dieser Zeilen als Anspieltipp ans Herz gelegt - ein Zwiegespräch des Machers mit seinem mutmaßlichen Alter Ego.

FAZIT: WEHs "Origins" bietet trotz beschränkter Ausdrucksmittel einen Sogwirkungen erzeugenden Blick über das Schaffen von Erik A., an welchem im Winter nicht nur Freunde von Neofolk und Grenzgängern wie CADAVEROUS CONDITION Gefallen finden könnten - angenehm bodenständig und ohne ideologischen Fingerzeig.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.12.2010

Tracklist

  1. Deadline
  2. Darkness Part One
  3. Hang 'em High
  4. The Justice Song
  5. Lady Death
  6. Where Evil Hides Intro
  7. On Your Knees
  8. Sealing Fates
  9. Sometimes I Bleed
  10. Walk The Other Way
  11. The War Is Over
  12. Where Evil Hides Outro
  13. Any Other Day
  14. Barbed Wire Tight
  15. Ballad To The Harvest
  16. World Of Pain
  17. Darling Meet Demise
  18. The Grave
  19. When The Raven Spoke My Name
  20. Skeleton
  21. Summer Went South
  22. Desolate
  23. Likbør
  24. Heathen Ground
  25. The Endlessness
  26. Ruin
  27. And The Bells Are Ringing Doom
  28. North
  29. Darkness Part Two
  30. The Men Of Gallow Proud
  31. The Seaward Song
  32. The Road And The Forest
  33. Nihil Interit
  34. Sigars Øyk
  35. Origins
  36. En Bekk Av Blod

Besetzung

  • Sonstiges

    Erik A. (alles)

Sonstiges

  • Label

    Soulseller / Twilight

  • Spieldauer

    117:53

  • Erscheinungsdatum

    29.10.2010

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