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Welle: Erdball: Operation: Zeitsturm

Stil: New Wave / Electropop / NDW

Cover: Welle: Erdball: Operation: Zeitsturm

Die Welle: Erdball an sich ist ja schon ein Gesamtkunstwerk. Kaum eine andere Band aus dem dunkel-elektronischen Bereich hat ein so eigenes Gesicht, sei es in der Musik, in der optischen Umsetzung und in den ausgefallenen Bühnenshows. Nun lernt man eine neue Facette dieser außergewöhnlichen Band kennen, denn mit "Operation: Zeitsturm" gibt es nicht nur ein neues Album von Honey, A.L.F., Plastique und Frl. Venus, sondern auch gleich den dazugehörigen Spielfilm, dessen Soundtrack aus der Musik des neuen Albums besteht. Angesichts der Tatsache, dass das Package aus Film und Musik zum Preis einer regulären CD zu haben ist, bekommt man als Konsument also jede Menge Gegenwert geboten.

Kommen wir zunächst zum Film. "Operation: Zeitsturm" ist ein rund 80-minütiger Science Fiction-/Abenteuerfilm, der sich um den alten Menschheitstraum von der Reise durch die Zeit dreht und wie eine Mischung aus "Indiane Jones" und "Zurück in die Zukunft" anmutet. Im dritten Reich entwickelt der Wiener Physiker Prof. Alois Haberl das Konzept für eine Zeitmaschine und wird dafür mit der Max-Planck-Medaille ausgezeichnet. Davon bekommen natürlich die Nazis Wind. Sie nehmen den Professor und seine Tochter Marie-Sophie (Plastique) in Gewahrsam und zwingen ihn, die Zeitmaschine zu bauen. Doch sehr zum Unmut der Nazis verzögert sich die Entwicklung und weil der Hauptmann Marie-Sophie in die noch nicht fertige Maschine stößt, wird sie in der Zeit gefangen. Dem Professor, der die ganze Zeit über seine Entwicklungen in einem Tagebuch festgehalten hat, gelingt die Flucht, dabei kann er das Hez der Maschine verstecken. Jahre später findet Dr. Georg Linde (Honey) das Tagebuch und mit seinem Kollegen Ing. Martin Richter (A.L.F.) und der Reporterin Liselotte Wagner (Frl. Venus) macht er sich daran, die Zeitmaschine wieder ans Laufen zu bekommen und Marie-Sophie zu retten.

Soviel zur Story dieses Films, der bestenfalls als ganz amüsanter B-Movie durchgeht. Zwar ist er durchaus professionell gedreht worden, doch die reichlich mittelmäßigen schauspielerischen Leistungen sowie die arg flachen Dialoge zeigen nur allzu deutlich auf, dass es sich bei "Operation: Zeitsturm" um das liebevolle Werk von Amateur-Filmemachern handelt. Als gelungen zu bezeichnen sind allerdings die stilvollen Requisiten und Aufbauten, rein optisch macht der Film mit seiner 50er-Jahre-Ästhetik wirklich einiges her. Allerdings ist die die sehr deutlich dargestelle Nazi-Symbolik ein wenig fragwürdig, wenn die Kamera bspw. einen Augenblick zu lange auf ein Propaganda-Plakat hält, hat das schon einen etwas bitteren Beigeschmack. Die Musik von Welle: Erdball passt erwartungsgemäß ganz hervorragend zu den Bildern, wobei hier zu bemängeln ist, dass die Lautstärke von Musik und Dialogen viel zu stark differenziert. Letztendlich ist der Film ganz sicher nichts für Cineasten und Filmgourmets, für Fans der Band ist er aber eine gelungene Angelegenheit.

Kommen wir also zum Soundtrack des Films, der aus 15 Songs besteht, die in jeder Hinsicht typisch für Welle: Erdball sind. Analoge Synthiesounds, 8-Bit-Gebliepe, schaurig-lustige Casio-Keyboardklänge und -rhythmen, zeitgemäße Minimalelektronik, NDW-Beats sowie der Sprachgesang von Honey auf der einen Seite und das liebliche Geträller der Damen auf der anderen Seite machen das Bild aus. Die Stilistik reicht dabei von fast unerträglich zuckrig süß wie im Titeltrack, dem abschließenden "Die Zauberfee" oder dem Kinderlied "Marie-Sophies Reise" bis hin zu düster-kühler und latent aggressiver Elektronik in "Die falsche Front" oder dem aus "Geld regiert die Welt", "Die Stunde: NULL (C=64)" und "Wir spielen Gott" bestehenden Triple, das auch den musikalischen Höhepunkt auf dem Album markiert. Drei stimmungsvolle Instrumentale ("Jarre-Intro", Zeitstrangveränderung" und "Chaos Total²³ (...und dahinter Gott)"), fast schon bluesige Töne in "Lebendig begraben" und lustige Bossa Nova-Beats ("Die Zeitmaschine", "Die Zauberfee") runden das Album ab. Einen Hit vom Schlage "Starfighter F-104G" sucht man vergeblich, am ehesten ist noch "Wir sind die Maschinen" dazu geeignet, die Tanzböden zu füllen.

"Operation: Zeitsturm" erscheint in zwei Editionen, die normale im Jewel Case mit DVD und CD, die limitierte Auflage im Digipak enthält zusätzlich eine Bonus-DVD mit einem halbstündigen Making Of, Fotogalerien und Trailern.

FAZIT: Musikalisch haben Welle: Erdball das, was sie machen inzwischen nahezu perfektioniert, das wird auch auf den neuen 15 Songs überdeutlich. Für manch einen dürfte das Spektrum zumindest in den fröhlichen Tönen ein wenig zu positiv sein, aber am gegenüberliegenden Ende gibt es ja auch angenehm düstere Klänge. Das Paket aus Film und Soundtrack ist jedenfalls eine tolle Idee und an sich absolut stimmig. Auch wenn der Film einigen Anlass zur Kritik bietet, ist hier eine dringende Kaufempfehlung auszusprechen, zumindest wenn man der Musik und der Optik von Welle: Erdball wenigsten ein bisschen was abgewinnen kann. Darüberhinaus ist es immer wieder schön zu sehen, dass es Bands gibt, die sich Gedanken machen, wie sie ihren Fans etwas Besonderes bieten können. Das gelingt mit "Operation: Zeitsturm" allemal.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2010

Tracklist

  1. Jarre-Intro
  2. Operation: Zeitsturm
  3. Wir sind die Maschinen
  4. Zurück zum Start
  5. Zeitstrangveränderung
  6. Die Zeitmaschine
  7. Die falsche Front
  8. Marie-Sophies Reise
  9. Geld regiert die Welt
  10. Die Stunde: NULL (C=64)
  11. Wir spielen Gott
  12. Chaos Total²³ (...und dahinter Gott)
  13. Wizard of Wor (erste Version)
  14. Lebendig begraben
  15. Die Zauberfee

Besetzung

  • Gesang

    Honey, Plastique, Frl. Venus

  • Keys

    A.L.F.

  • Schlagzeug

    Plastique, Frl. Venus

Sonstiges

  • Label

    Synthetic Symphony

  • Spieldauer

    53:01 (CD) + 80:00 (DVD)

  • Erscheinungsdatum

    23.04.2010

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