Sechs Stunden und dreiunddreißig Minuten, das ergibt dreihundertdreiundneunzig Minuten, und das ist in etwa auch die Anzahl der Musikstile, die auf dem Debütalbum der französischen 6H33 (alternativ als 6:33 bekannt), stattfinden. Jawohl, „Orphan Of Good Manners“ ist eines dieser Werke, bei denen einen entweder die Sabber oder aber der komplette Mageninhalt oral verlässt... einem die Säfte der Lust beinahe von selbst entfleuchen oder aber gastrointestinale Turbulenzen dafür sorgen, dass man sein großes Geschäft auch problemlos durch einen Flaschenhals verrichten kann. Mahlzeit!
Metal in allen erdenklichen Schattierungen bekriegt sich/kopuliert mit/tanzt Ringelreihe, Tango, Polka, Lambada mit/kratzt sich einander die Augen aus mit Funk, Jazz. EBM, IDM, Metalcore, Disco, Industrial, Pop, Trip Hop, Klassik, Dance, Oper, Motown, Hardcore, Filmmusik, Grindcore, House, Techno, Soul, Zirkusmusik, Big Band, Noise, Ambient, Big Beat, Drum‘n‘Bass und zahlreich vorhandenem anderem Zeugs, ohne Rücksicht auf Verluste, egal, ob es passt oder nicht, egal, ob es egal ist. Was jetzt noch entspannt tönt, artet Sekunden später in Hysterie aus, wo eben noch Aggression und Verwüstung regiert haben, wird gleich zu von oben herab regnendem rosa Flitter der Hintern rhythmisch bewegt. Was gerade albern war, könnte nur ein Vorbote des gleich darauf hereinbrechenden Nihilismus sein.
Natürlich sind MR. BUNGLE, SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM, STOLEN BABIES, IDIOT FLESH, PIN-UP WENT DOWN, DIABLO SWING ORCHESTRA, UNEXPECT und wie sie alle heißen, da nicht gerade weit, und genau diese Klientel wird auch jene sein, denen nach Input aus dem Hause 6H33 dürsten wird. Ob die fünf Bekloppten nun qualitativ mit den genannten Acts mithalten können, kann gar nicht genau gesagt werden, denn im Grunde sind sie genau wie jene (eben auch anders), aber eben anders (also anders anders). Hä? Ja, eben. Genau das.
Obwohl die Band mit Drumcomputern statt echtem Schlagzeug agiert, wirkt das Album natürlich, ebenso wirkt es durch seine mit Emotion und Leidenschaft performte Art und Weise nicht künstlich auf schräg gebürstet. „Orphan Of Good Manners“ ist kunstvolle Anarchie jenseits von Songstrukturen und Genregrenzen, und es macht einfach Laune, dem wilden Chaos zuzuhören.
FAZIT: Musik von Freigeistern für Freigeistern, und das kann man entweder lieben oder hassen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.12.2011
SAD
Kinky Zombie, Mr. Z.
Niko
Dietrisch von Schtrudle
Mr. Z., Dietrisch von Schtrudle (Drummachine)
M & O Music
43:03
28.04.2011