Die Siegener Thrasher ACCU§ER hatten bis zum Brachialwerk „Repent“ konstant edle Knüppelkost abgeliefert, doch dann infizierte das Neo-Thrash-Groove-Virus auch die Herrschaften um Frank Thoms. Das hätte weniger tragisch sein können, wenn das Resultat wenigstens gute Songs gewesen wären, doch stattdessen waren belanglose, billige MTV-Anbiederungen inklusive frisch gestochener Tribal-Wadentattoos an der Tagesordnung. 1996 war dann nach vergeblicher Trendreiterei und aufgrund musikalischer Differenzen auch Schicht im Schacht, bevor man sich 2002 wieder zusammenfand. Bis 2008 lief das Ganze dann eher nebenbei, quasi als Live-Reunionprojekt, doch dann machten ACCU§ER endlich ernst: „Agitation“ war ein halbwegs brauchbares Studio-Lebenszeichen, doch trotz der klaren Marschrichtung in die Vergangenheit waren Thoms und Co. noch weit von den Glanzzeiten ihrer ersten fünf Alben entfernt.
Und nun das. Ja heilige Truthankacke auch, „Dependent Domination“ feuert aus allen Rohren, so als hätte es nach „Repent“ nichts gegeben. Bis auf ein paar ruhige melodische Einlagen oder akustisches Ausholen zum nächsten Schlag wird die Keule kontinuierlich geschwungen, mal in bester Ufta-Ufta-Manier, dann wieder mit druckvollem Doublebass-Geballer. Speziell die Gitarrenarbeit wurde in puncto Anspruch und Variabilität stark verbessert – es wird gesägt, dass man vom Plektrenstaub husten muss, die Powerchords lassen die Kommode vibrieren, dass das Asthmaspray den Suizid durch Sprung in die Tiefe bevorzugt, und auch im melodischen und technischen Bereich wird geklotzt statt gekleckert. Gekrönt von Thoms‘ derben Shouts hat man zehn feine, von Martin Buchwalter erstklassig produzierte und gemasterte Nummern auf Konserve gebannt, die die letzten Alben von METALLICA, TESTAMENT, EXODUS und ähnlichen Vertretern älter aussehen lassen als die FDP im Jahre 2011.
Die Truppe verzichtet also zu 93,7% auf Mittneunziger-Gehüpfe, doch vollständig unberührt vom Zeitgeist sind die 1986 gegründeten ACCU§ER auch heute nicht – hier und dort blicken auch mal in kleinen Dosen Elemente hervor, die man von Neo-Metalcore-Bands aus den USA sowie aus Göteborg kennt... was letztendlich aber auch an der Produktion liegen mag. Nimmt man den soundtechnischen Speckmantel nämlich ab, landet man - wie auch bei den gerade erwähnten Genrekünstlern - ganz schnell in den urwüchsigen schwermetallischen Achtzigern. Viel Nostalgie trifft also auf ein wenig Moderne, anstatt wie seinerzeit Altes fast komplett durch Neues, Angesagtes zu ersetzen.
FAZIT: Einige Fans werden ACCU§ER genau so wie ich abgeschrieben haben, und es darf davon ausgegangen werden, dass die beiden Franks, der Oliver und der Uwe mit diesem Brett so einiges an Boden gutmachen, wunden heilen, Risse flicken werden, denn die Band zelebriert endlich das, womit sie sich vor mehr als zwei Dekaden einen exzellenten Ruf erspielt hat: T-H-R-A-S-H!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.07.2011
Frank Kimpel
Frank Thoms
Frank Thoms, Uwe Schmidt
Oliver Fechner
Red Shift
49:33
15.07.2011