"Live At Home" erinnert mit seiner blutarmen Live-Atmosphäre an die Produktionen von Metal Mind … Ist's ein polnisches Phänomen? AFTER nisten sich selbstgefällig in ihrem Nest ein und heben sich dadurch nur unmerklich von ihren Nachbarn ab, denen es von wenigen Ausnahmen abgesehen kaum an handwerklichen Fähigkeiten fehlt, dafür jedoch umso offenkundiger an greifbaren Emotionen.
Malen nach Zahlen … Wo, wenn nicht auf einer Konzertscheibe werden die wahren Qualitäten beziehungsweise Unzulänglichkeiten einer Band offenbar? Wo sind die hooky Songs, die eine solche Veröffentlichung so richtig mitreißend gestalten? Böse Zungen bezeichnen AFTER und viele ihrer Landsleute als die langweilige Alternative zu wahlweise und je nach Ausrichtung MARILLION, GENESIS oder den Helden RIVERSIDE aus eigenem Land. Da ist etwas dran, wenn etwa "The End" kein solches findet, owbohl die Stimmung nach fast einer Viertelstunde kocht. Hat der Rezensent schlicht irgendetwas nicht verstanden? Eher unwahrscheinlich, denn unerhört neu gehen AFTER auf ihren Scheiben nicht vor. Das treibende "Reflecting Me" vom Debüt unterstreicht die neue Befindlichkeit im Osten, die die besagten Musiker vom Flussufer bei aller Güte auch nicht krampffrei vertonen. "Closed Shame" dient danach als ruhiger Kontrast, der zum Schluss hin ebenfalls verhalten aufbraust.
Diesem Dualitätsprinzip bleiben AFTER stets verhaftet, wobei die gediegenen Passagen gepflegte Langeweile versprühen. Wirklich spannend geraten der Aufbau von "Fingers" sowie das agile "Senses Confuse Reality". Das SABBATH-Cover "Planet Caravan" verdeutlicht die psychedelischen Vorlieben - auch anhand des Gitarrensounds generell und bisweilen schräger Gesänge - und ist zumindest ein unerwartetes Zubrot. SYSTEM OF A DOWNs "Spiders" hat man schon im Studio eingespielt und überrascht ebenso, wenngleich wie gesagt niemand auf die Idee kommen sollte, hier etwas Avantgardistisches zu Ohr zu bekommen.
FAZIT: AFTER behalten sich den traditionellen polnischen Prog vor und sind damit eher Nachahmer - solide dazu - als Neuerer. Wer damit keine Probleme hat, darf "Live At Home" als gelungene Nabelschau fürs eigene Regal sichten.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.02.2011
Mariusz Ziólkowski
Krzysiek "Sooya" Drogowski
Czarek Bregier, Wojtek Tyminski
Tomek Wisniewski
Radek Wieckowski
Oskar/Just For Kicks
79:28
28.01.2011