Veränderungen sind gut. Sagt wer? Wenn etwas neues, oder zumindest interessantes anderes herauskommt als bei der Inkarnation zuvor, kann die Aussage abgesegnet werden. Veränderungen im untergründigen Bereich zwischen Progressive Rock und Death Metal hat es dieses Jahr einige gegeben: OPETH spielen hippiesken, komplexen Retro-Prog, PAIN OF SALVATION entdecken den ruppigen Rock, der mit dem Blues liebäugelt, die DARK SUNS wandeln auch auf verschlungenen Prog-Pfaden mit psychedelischem Blattwerk am Wegesrand. Jetzt also AFTER…, jene polnische Band, die bislang ein wenig im Schatten RIVERSIDEs stand, was sowohl Melodien wie Härte angeht Doch als so besinnliche wie spielfreudige mittlere Größe im New-Art-Rock machten sie eine gute Figur. Irgendwo zwischen RIVERSIDE und QUIDAM sollte es sich eigentlich gut leben und musizieren lassen. Nicht gut genug anscheinend. Denn „No Attachements“ wird vom Vertrieb mit dem Spruch beworben (unkorrigiert): "ist modern, flott und knackig und kommt ohne großen melancholische Pathos polnischer Prägung aus.“
„Leider!“ müsste man eigentlich hinzufügen. Denn was AFTER… - trotz des zusätzlichen Verweises auf eine PINEAPPLE THIEF-Unterstützung – hier abliefern, ist ein Festmahl für jeden, der glaubt, dass Veränderung nichts Gutes bedeutet.
Die ersten drei Stücke denkt man, Mist, ich habe die falsche CD erwischt; dieser mäßige PORCUPINE TREE-wir-hauen-mal-auf-die-Kacke-ohne-die-einprägsamen-Melodien-zu-haben-meets-COLDPLAY-Klon mit radikal auf Null reduziertem Keyboardspiel kann nicht AFTER… sein, wie man sie kennt und schätzt (Googelt mal DISCIPLINE - ohne Punkt-, da findet sich auch eine Band, die mit Matthew Parmenter und seinen Mitspielern rein gar nichts gemein hat. CAST sind ein ähnlicher Fall.). Fehlpressung? Dann kommen der dritte und vierte Titel, die tatsächlich Züge besitzen, die auf eine erwachsene Band hinweisen, die mit ihrem dritten Studio-Album am Start ist. „Summer Fuss“ und „Carried By The Wind“ wecken Interesse, haben genau jene Brüche und hintergründige Melancholie, die AFTER… aus dem Gros der vielzähligen Art-Rock-Bands herausstechen ließen (wobei besonders „Summer Fuss“ auch von irgendjemand anders sein könnte. Schön, aber austauschbar). Zwischendurch gibt es zwar einige Schweinerock-Einlagen, die immerhin so kurz sind, dass wir es den Songs nicht ganz übel nehmen. Leider bleiben die Beiden ein sacht vorüber ziehendes Lüftchen. Getoppt noch vom wunderbar traurigen Schlusstrack „Hapiness“. Hätte es davon doch mehr gegeben…
Stattdessen: Eine seichte und wenig höhepunktreichen Melange aus Alternative Rock mit Grunge-Anteil und Hauruck-Hardrock. Nicht besonders ersprießlich, melodisch ergötzlich oder gar einfallsreich. Da werden nicht ganz unzufällig Erinnerungen an das STILTSKIN-Debüt geweckt. Ohne den Hit „Inside“. Jene Art von C&A-Holzfällerhemden-Grunge, der sich spätestens seit der Jahrtausendwende hoffnungslos überlebt hat.
FAZIT: Mag sein, dass es PINEAPPLE THIEF beherrschen (obwohl auch die noch den letzten Beweis schuldig sind), aber AFTER… bekommt der Hüftschwung vom New-Art-Rock zur alternativen Variante mit Metal-Bezug nicht so dolle. Das ist nicht wirklich schlecht, keineswegs. Aber es gibt einfach zu viele Bands, die ähnliche Musik besser oder zumindest gleich gut spielen. Spielten. In den Jahren vorm Millennium. Ein Hoch stattdessen auf die vorgebliche „typisch polnische“ Melancholie!
PS.: Irgendwie möchte ich dieses Album mögen. Doch ich schaffe es nicht. Bis auf „Happiness“: 12 Punkte.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2011
Mariusz Zió?kowski
Krzysiek Drogowski
Czarek Bregier, Wojtek Tymi?ski
Radek Wi?ckowski
Metal Minds Productions
48:00
21.11.2011