AIRBAG konnten mit ihrem beachtlichen Debüt einige Aufmerksamkeit auf sich lenken und haben vor gut anderthalb Jahren auch dem Schreiber dieser Zeilen einige Freude bereitet. Dass aus den Norwegern plötzlich fröhliche Gesellen geworden sind, hat wohl niemand erwartet und auch das Cover, das in düsteren Farben den Freitod eines Finanzhais zeigt, suggeriert neben Kritik am Zeitgeschehen auch eine gehörige Portion Dramatik.
Die Zeiten der einfachen, stilisierten Träne („Identity“) sind vorbei. Wo der Erstling noch, trotz elegisch mäandernder Instrumentalparts, kompakt wirkte, präsentiert sich „All Rights Removed“ deutlich ausschweifender, was nicht nur an längeren Songs deutlich wird („Homesick“ knackt gar die Siebzehn-Minuten-Marke), sondern auch an einem höheren Maß an Dynamik: Kühn schwingt sich die Band, angetrieben von Asle Tostrups immer noch bewegendem Gesang, zu imaginären Dramatik-Gipfeln auf und auch die Gitarren dürfen hin und wieder ihren Schmelz abschütteln und mit einem bisher für AIRBAG-Verhältnisse unbekannten Grad an Härte aufwarten.
„All Rights Removed“ bietet somit astreinen Trauer-Prog in der Schnittmenge von PINK FLOYD, RIVERSIDE und ANATHEMA. Das ist alles äußerst kompetent in Szene gesetzt und geschmackvoll arrangiert. AIRBAG erschaffen eine schwermütige Atmosphäre in Moll voller Melancholie, die garantiert die meisten Fans der genannten Bands begeistern wird. Und doch fehlt ganz subjektiv der Zauber des Debüts, der daraus resultierte, dass AIRBAG ihre Emotionen äußerst präzise in kompakte Songs kanalisiert, quasi ein konzentriertes Destillat erschaffen hatten, was die Band von musikalisch ähnlich gelagerten Bands deutlich abgrenzte. Die großen Gänsehautmomente sind rarer geworden und ausgerechnet das kurze Instrumental „Light Them All Up“ stellt für den Rezensenten den ergreifendsten Moment des Albums dar.
FAZIT: AIRBAG sind eine sehr gute Band, wenn es darum geht, epische Art-Rock-Elegien in der Schnittmenge aus PINK FLOYD, polnischer Prog-Schule und Tragik-Rock der Marke ANATHEMA darzubieten. Ihre ganz persönliche Duftmarke haben die Norweger indes leider abgelegt und mit Altbekanntem übertönt und sind somit zu einer Qualitätsband geworden, die „nur“ noch Genre-Erwartungen erfüllt - was, ganz subjektiv, einen etwas faden Beigeschmack hat.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.10.2011
Anders Hovdan
Asle Tostrup, Bjørn Riis
Bjørn Riis
Jørgen Hagen
Henrik Fossum
Karisma Records
49:21
28.10.2011