Flöte und Streicher sind integraler Bestandteil des Sounds der Franzosen AKIN, doch wer nun allzu retrospektiven Progrock erwartet, irrt. Die Gruppe besteht aus älteren Hasen und Häsinnen, die unverkrampt stimmungsvollen Rock spielen, ohne in die Frau-frontet-harte-Männer-Falle zu tappen. Wechsel-, nicht sprunghafte Musik zeichnet die Gruppe aus, worunter die Eingängigkeit nicht leidet.
Gleich "The 92nd flight" besticht durch einen attraktiven Refrain. Adeline Gurtner kling gelegentlich kindlich, aber nicht naiv, und die Instrumentalisten spielen luftig bis feurig auf, niemals effekthaschend, dafür jedoch stringent aufs Wesentliche konzentriert - die Melodien, welche auch bei knapp sechsminütiger Spielzeit nicht ausfransen. "Cassandra" begeistert vor allem ob der Streicherarrangements, die in den Gesangspassagen für Dramatik sorgen. Das Plastik-Feeling zahlreicher ähnlich aufgestellter Combos lassen AKIN außen vor. "Unhearted" gliedert sich trefflich zwischen neueren PAATOS (alos weniger unterkühlt) und sogenanntem New Artrock generell ein - weitschweifig und anspruchsvoll ja, aber eben ohne selbstverliebtes Muckertum. Manchmal erreicht man beträchtliche Schweregrade, gerade im Verbund von Strings und Riffing ("Resilience"), bei "When" allerdings eher im rockig treibenden Sinn - fabulöse Gitarrenarbeit auch hier, und herzliche Vocals obendrein. Das träumerische "Enter Spaceman" erfreut einmal mehr mit beflissen ausgearbeiteten Gesangsarrangements, wohingegen das Folgestück (Wah-Wah …) wiederum den erdigen - okay ein wenig schweben sie ständig über dem Boden - Aspekt des AKINschen Stils hervorkehrt.
Ebenfalls wunderbar: Das Hammond-verzierte und mitsummbare "Falling Deeper", welches eine hibbelig machende Steigerung erfährt. Für eine Band aus Frankreich - wir mögen ja Vorurteile - überraschen die Lyoner mit absolut klasse Englisch in obendrein hörenswerten Texten (narrativ: Das experimentelle "Miller's End"). Schade, dass kein Booklet im ansonsten beschaulichen Digipack enthalten ist. Später Hit: das baladesk beginnende "No Betrayal" vor dem großmütigen Abschluss "A Better End".
FAZIT: Das Beeindruckende und Anziehende bei AKIN ist die Tatsache, dass man keine schalen, eindeutig zuzuordnenden Gefühle anspricht, sondern rätselhafte Ambivalenz hinterlässt, die immer wieder zum Zuhören auffordert. Dass die Musik an sich abseits solcher Überlegungen ungleich schneller ins Ohr geht, ist ein großes Plus und zeigt die Nachbarn als angenehm unsteife, nahbare Zeitgenossen im Bereich des unverkrampften Prog mit Metal-Versatz.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.05.2011
Luc Babut
Adeline Gurtner
Matt Baker, Julien Chometton
Pierre Lucas
Romain Fayet
Philippe Chauviré (flute)
Eigenvertrieb
57:32
20.05.2011