Zurück

Reviews

Alex Conti: Retrospective 1974 - 2010

Stil: Rock / Blues / Pop

Cover: Alex Conti: Retrospective 1974 - 2010

Einmal mehr lassen sich MiG nicht lumpen und arbeiten deutsche Musikgeschichte im internationalen Kontext auf, und zwar in einer Aufmachung, die dem Fan große Freude bereiten wird: Drei CDs nebst informativem Booklet decken - der Titel sagt es - vier Jahrzehnte ALEX CONTI ab.

Erste Haltestelle: Atlantis. Nach CURLY CURVE, FEVER und PSY IS FREE agiert der Gitarrist hier im Verbund mit Inga Rumpf in einem relative funkigen Rock-Kontext, was insbesondere für die Rhythmik gilt. Die beiden Studio- beziehungsweise Livetracks zeigen gleichfalls orgelige Spielfreude auf, und die dazugehörenden Alben, mindestens das selbstbetitelte Debüt von 1972, gehören in jeden guten Post-Kraut-Haushalt.

Nach dem Schlager-Doo-Wop von RUDOLF ROCK - dankenswerterweise ein Einzeltrack, stehen die kräftig zupackenden LAKE im Vordergrund. Angesichts des Klassikerstatus vor allem ihrer ersten beiden Alben hätte hier mehr drin sein können als nur vier Livesongs. Ähnlich entbehrlich sind die drei Coverversionen des Projekts SALT III, von denen vor allem HENDRIX' "Fire" mit den Augen rollen lässt.

Unter seinem Nachnamen reüssiert CONTI am Ende von CD eins und zu Beginn des zweiten Tellers mit entspanntem Mainstream-Rock, wie ihn DIRE STRAITS in besseren Zeiten in die Radios gehievt haben. Die letzten drei Songs befremden mit skuriller Fistelstimme und Synth-Bass - eine eindeutige Anbiederung an die Disco-Bewegung und definitiv nicht zeitlos. ELEPHANT wiederum schienen sich THE POLICE zum Vorbild genommen haben, hört man die vier in guter Bootleg-Qualität enthaltenen Livesongs aus Hamburg. Zeitlich zumindest würde der Bezug zu Sting und co. passen, die ebenfalls Mitte der Achtziger größere Erfolge feierten.

Dass CONTI auch Maulschellen verteilen kann, beweist die Gruppe ROSEBUD, Boogie-lastig und mitunter sehr virtuos, was die Solos betrifft, nicht zu vergessen das unglücklich mit "Smoke On The Water" kokettierende "Keep Smiling", das aber ob der herrlich siffigen Leadstimme vor allem Fans des rehabilitierten Haarspray-Rocks begeistern dürfte. Härter wird es nur noch mit ROCKSHIP (wiederum mit Frau Rumpf), derweil sich der Musiker mit ELECTRIC BALLROOM stilistisch mitunter weit aus dem Fenster lehnt, jazzt oder noch mehr bluest als sonst und auch andere stilistischen Beschränktheiten aushebelt. Rock bleibt es indes irgendwo immer.

Die Aufnahmen der HAMBURG BLUES BAND stammen ungefähr aus der gleichen Zeit und bieten, was man angesichts des Namens erwarten kann, wobei gerade das ellenlange "Woza Nasu" beeindruckt. RORYMANIA! spricht ebenfalls für sich selbst; "Too Much Alcohol" zollt dem verstorbenen Säulenheiligen überzeugend Tribut, und man darf sich freuen, dass die Besetzung des Projekts nach wie vor Bestand hat (höre "The Vineyard Sessions" aus dem Jahr 2010).

KALEIDOSCOPIA - ausladender, nicht wirklich harter Rock mit Keyboards und wenig Gesang - sind für den Rezensenten ein unbeschriebenes Blatt, doch die relaxten und im Schnitt zehn Minuten langen Songs gefallen, vor allem das mit Bläsern angereicherte "Spectral Voyager", ein experimenteller Space-Rocker. Das Instrumental "Bei mir bist du schön", im Original ein Standard im Bereich orientalischer Swing-Musik von 1938, beschließt den quantitativ hochwertigen und genretechnisch farbenfrohen Reigen angemessen friedlich.

Für den Kenner sind die Standards der obligatorischen Baustellen von CONTI wohl weniger reizvoll als die einzelnen Stilblüten am Wegrand, doch da diese Box vermutlich nicht die Welt kosten wird, dürfte sich der Kauf eben nicht nur für Neuentdecker lohnen.

FAZIT: "Retrospective" bietet eine ebensolche zum Künstler ALEX CONTI, der nunmehr 40 Jahre lang zwischen kommerzieller, aber spielerisch brillanter Gebrauchsmusik, Prog, Blues und Rock wildert. Aufmachung und Informationsgehalt entsprechen dem gehobenen Standard, und Geschichtsbewusste ohne Vorerfahrung greifen zu. Der Rest hält sich wie immer bei solchen Geschichten an die klassischen Alben.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.10.2011

Tracklist

  1. Atlantis: Ooh Baby
  2. Atlantis: Son Of A Bitch's Son
  3. Atlantis: Godfather
  4. Atlantis: Rock Me Baby
  5. Rudolf Rock & die Schocker: Teddybär
  6. Lake: Down The Middle
  7. Lake: Lost By The Wayside
  8. Lake: Chasing Colours
  9. Lake: Red Lake
  10. Salt III: Dreams
  11. Salt III: Fire
  12. Salt III: Talk To Me, Baby
  13. Conti: Nights On The Highway
  14. Conti: Waterprotected
  15. Conti: You're A Monster
  16. Conti: Take Me As I Am
  17. Conti: Better Things To Do
  18. Conti: The Way It's Gonna Be
  19. Elephant: Sayonara
  20. Elephant: Harvest For The World
  21. Elephant: You Drive Me Crazy
  22. Elephant: Addicted To Love
  23. Rosebud: My Baby - Your Baby
  24. Rosebud: Dynamite
  25. Rosebud: White Noise Boogie
  26. Rosebud: Keep Smiling
  27. Electric Ballroom: You've Seen It All
  28. Electric Ballroom: Over Under Sideways Down
  29. Electric Ballroom: Wanna Be Your Mate
  30. Rockship: Down To The Wire
  31. Rockship: From The Sky
  32. Rockship: Main Attraction
  33. Hamburg Blues Band: Love Me Or Leave Me
  34. Hamburg Blues Band: Make My Day
  35. Hamburg Blues Band: Woza N Azu
  36. Berlin Blues: Till Your Loving Makes Me Blue
  37. Rorymania: Too Much Alcohol
  38. Kaleidoskopia: Art Is
  39. Kaleidoscopia: The Sea
  40. Kaleidoscopia: Spectral Voyager
  41. Conti: Bei mir bist du schön

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    MIG (Made In Germany) Music

  • Spieldauer

    66:17, 69:11, 72:09

  • Erscheinungsdatum

    28.10.2011

© Musikreviews.de