Die Italiener KAULA machen es dem Hörer nicht leicht, zum einen produzieren sie auf ihrem Erstling „Avadhuta Gita“ keine Songs im konventionellem Sinne, zum anderen bewegen sie sich auf inhaltlich hochkomplexem Terrain, nämlich dem gleichnamigen Buch aus der hinduistischen Kultur, das wahrscheinlich 99,998% der Westeuropäer unbekannt sein dürfte.
Ohne dass Texte vorliegen oder verständlich wären, soll es hier theoretisch um eine „freie Seele“ gehen, die alles Weltliche hinter sich gelassen hat und einen gottähnlichen spirituellen Zustand erreicht hat, in dem man weder sucht noch findet, weder allwissend noch ahnungslos ist. „Holy Shit, was für abgefahrenes Zeug“, denkt da der ungläubige Nordeuropäer und wendet sich der Musik zu.
Und diese ist eine seltsame Mischung aus eiskaltem klassichen Black Metal, Doompassagen, die zäh wie Lava wälzen, ambienten Klanglandschaften und purem Noise. Dass diese Mischung je nach Stimmungslage von nervig bis faszinierend in ihrer Wirkung sein kann, ist nicht überraschend und so bietet „Avadhuta Gita“ bei intensivem Zuhören spannende Momente, die sich aber leider nicht über längere Passagen erstrecken, sondern häufig schnell wieder versanden. Strophe/Refrain gibt es im Universum von KAULA nicht, alles ist in zähem Fluss, branded heran und verschwindet wieder. Das führt natürlich nicht zu Musik, die im Ohr bleibt, sondern im Moment wirkt und fesselt, wer aber feste Struturen im Leben benötigt, braucht es mit KAULA gar nicht erst zu versuchen. Was neben dieser Tatsache am meisten den Hörer verprellt, ist der heisere Krächz-Gesang, der weit im Vordergrund stehend die Nerven des Hörers erbarmungslos malträtiert und wahrscheinlich nur den Old-School-Schwarz-Metaller ein enthemmtes Lächeln ins Gesicht zaubern wird.
FAZIT: Dass unter KAULAs „Avadhuta Gita“ keine Wertung steht, heißt ausdrücklich nicht, dass das Album schlecht wäre. Aber so unmöglich eine vernünftige und nachvollziehbare Beschreibung der Musik ist, so unmöglich ist auch die Einordnung in ein simples Punkteschema. Ich bin abgestoßen und faszinert zugleich, entdecke auch nach diversen Durchläufen immer neue Facetten der Musik, kann aber niemandem empfehlen, sich dieses Werk ungehört zuzulegen. Eine Scheibe für Menschen, die MAYHEMs „Ordo Ad Chao“ schätzen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.12.2011
Pietro Riparbelli, Rosa
Kristian
Pietro Riparbelli
Nicco
Doomentia Records
48:25
24.06.2011