BEGGAR'S OPERA waren schon immer die etwas andere Progband. Strippenzieher. Ricky Gardiner sieht dieses neue, unerwartete Werk als Fanal gegen die Zersetzung der Welt durch Strahlung aller Art an. Elektrosensibilität nennt man die Krankheit, welche er für seinen miserablen Gesundheitszustand verantwortlich macht. Touren wird er mit "Lose A Life" also ganz sicher nicht - aber erst mal hören …
Gardiner hat "Lose A Life" mit seiner Herzdame Virginia Aurora Scott aus der Taufe gehoben, der alleinigen Komponistin. Ein Rückgriff auf Meisterstücke wie "Pathfinder" ist ausgeschlossen, zumal BEGGAR'S OPERA sich im Lauf ihrer Karriere kaum wiederholt haben. Liest man aktuelle Statements des Musikers, erfährt man etwas von seinem geradezu missionarischen Eifer bezüglich der Thematik und kann sich nicht des Eindrucks erwehren, es mit einem Spinner zu tun zu haben, so man sich nicht selbst durch Router, Mobiltelefone und dergleichen beeinträchtigt fühlt. "There is no electrofire extinguisher" heißt es unter anderem; "Lose A Life" wird durchdrungen von einer extrem klaustrophobischen Stimmung und ist mehr denn je dunkler Ambient statt rockig - und Gardiner mag wie ein Eiferer wirken, doch versteht man sein hilfloses Ausgeliefertsein - zumal die strikte Weigerung, Gegebenes hinzunehmen, noch nie geschadet hat, so gute Musik entstehen soll - fühlt man sich leichter in die Materie ein. Ansonsten: Ein abweisendes Album.
In "Electrofire Invasion" skandiert die Sängerin unter anderem "I am numb and motionless". Musikalisch steht ein mit düsteren Synths und schweren Akkorden nebst hibbelig machenden Geräuschen versehenes Gebräu ins Haus, welches derlei Sätze treffend unterfüttert. "Electro Half Light" kann man durchaus mit düsterem Stoff aus dem Hause PAATOS vergleichen, speziell wegen der minimalistischen Ausrichtung und natürlich der leicht distanzierten Frauenstimme. "Masts on my Roof" tönt entrückt und hinterlässt ambivalente Gefühle, also nicht durchweg paranoide Unruhe. "Cosmic Tango" kommt im getragenen Einerlei der Scheibe verhältnismäßig vital, wiewohl die zurückgenommene Anlage der Musik anhand der für die Künstler persönlichen Bedeutung der Texte rechtfertigt werden muss. Von vorbehaltlosem Genuss des Hörers hat man also bewusst abgesehen; ein selbstisches Werk, mit dem zu beschäftigen man sich bereitserklären muss … und hat eigentlich wer das Paradoxon dahinter bemerkt? Ich setze mich dem Elektrosmog aus, um mir eine Botschaft gegen denselben anzuhören.
FAZIT: Die "Nano Opera" (man wollte die Thematik zeitlich auf ein erträgliches Maß für den Hörer verdichten) ist mehr ein Solowerk als ein BEGGAR'S-OPERA-Album im klassischen Sinn. Düstere Keyboardschwaden treffen auf lakonische Vocals sowie wenige Gitarren und abseits dessen weitreichenden instrumentalen Minimalismus, um Ängste zu schüren und keine Hoffnung auf Heilung zu lassen. Die Welt des Rick Gardiner sieht trübe aus; enttäuscht darf man auch als Hörer sein, weil Erwartungen strikt torpediert wurden. Jetzt noch das parallel veröffentlichte "Close To My Heart" hören; vielleicht versteht man dann mehr …
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.04.2011
Virginia Aurora Scott
Ricky Gardiner
Virginia Aurora Scott
Tom Gardiner
Repertoire
47:32
04.04.2011