Dass das SKAQUADRAT-Nachfolgergespann BERLIN BOOM ORCHESTRA zu den wohl besten deutschen Reggae-Kapellen zählt, ist kein Geheimnis mehr. Schon das Debüt „Kaboom“ zeigte, welch großes Potenzial in diesem Ninepiece steckt, und „Hin und weg“ weiß das Qualitätslevel locker zu halten. Am Grundrezept haben die zwei Mädels und die sieben Jungs praktisch nichts geändert: Um die Achse des entspannten, jamaikanisch angehauchten, oftmals Kingston-Feeling versprühenden Reggae der alten Schule kreisen Dub, lateinamerikanische Rhythmen, Rocksteady, Ska und Rock, alles wohldosiert und weder aufgesetzt noch aufdringlich in den Grundsound verbastelt.
Die Nummern, allesamt in Deutsch getextet, kommen locker aus den instrumentenbearbeitenden Händen, Füßen und Mündern, und das ist ja gerade bei europäischen Bands, die südliche Atmosphäre verbreiten wollen, oftmals nicht selbstverständlich, da diese oft zu unentspannt und zu kühl agieren – oder weil sie trotz aller Bemühungen immer noch zu sehr nach europäischem Geblüt klingen. Beim BERLIN BOOM ORCHESTRA allerdings wirkt jeder Groove, jedes Break, jeder pumpende Bass einfach nur selbstverständlich. Das baut eine Brücke in die geographische Ferne und bewirkt zudem, dass die Songs sehr schnell ins Ohr gehen. Kratzt man etwas an der Oberfläche, wird schnell klar, dass die Stücke häufig sehr vielschichtig und komplex arrangiert sind – und nicht jede Band hat dann noch das Talent, dem Hörer trotzdem keine akustischen Verdauungsbeschwerden zu bescheren.
An den deutschsprachigen Lyrics werden sich die Geister mit Sicherheit geschmacksbedingt scheiden, doch Sänger und Texter Filou Rouge gelingt es sehr gut, die Texte in die groovigen Rhythmen einzubetten, und sowohl seine gesangliche Leistung als auch die Messages kommen absolut überzeugend durch das Hörorgan gekrochen. Hier und dort wäre vielleicht mal etwas weniger Zeigefingerpriapismus angebracht, ab und an ist auch mal etwas zu viel „Mümümü“-Attitüde am Start, doch letztendlich sind dies eher kleine Schönheitsfehler und nicht etwa gravierende Mankos.
FAZIT: Offbeat der qualitativ gehobenen Sorte.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.08.2011
Nils Jähnig
Filou Rouge
Florian Elger
Antonie Klenner
Jonas Desaga
Bruno Langbehn (Percussion, Effekte), Moritz Wendt (Saxophon), Anne Dau (Posaune), Frederick Sixtus (Trompete, Melodika), Filou Rouge (Geige)
WallCityMusic/Pork Pie Records
71:47
2010