Ob man bei diesem Dreitracker, dessen Songs insgesamt eine Spieldauer von einer halben Stunde ergeben, wirklich von einem Album reden kann, sei mal dahingestellt. Andererseits gibt es genügend Gegenbeispiele, die beweisen, dass bei so mancher Zehn- oder Zwölf-Song-Kollektion noch früher Sense ist. Oder hat sich schon mal ernsthaft jemand über die Gesamtspielzeit von SLAYERs „Reign In Blood“ beschwert? Okay, ich schweife ab. Fest steht jedenfalls, dass die drei überlangen Stücke des neuen BETWEEN THE BURIED AND ME-Outputs so viel hergeben, wie es zahlreiche zwei- bis dreimal so lange Pamphlete diverser Progger nicht zu bieten vermögen.
Im Hause BTBAM geht es anno 2011 wieder etwas aufgeräumter und derber zur Sache. Das bedeutet nun beileibe nicht, dass die Truppe um Sänger und Keyboarder Tommy Rogers, der kürzlich mit „Pulse“ unter dem THOMAS GILES-Banner ein äußerst empfehlenswertes, fast metalfreies Soloalbum auf den Markt gebracht hat, nun eingängiger oder bequemer konsumierbar vor sich hin schrotet. Im Gegenteil: Die vielen progressiven und freakigen Elemente werden effektiver eingesetzt, vor allem aber deutlich geschickter. War es zuletzt fast so, dass die eher „normalen“ Parts das Besondere waren, überraschen nun die wilden Breaks, Instrumentalkunststücke und Brainfuck-Einlagen endlich wieder richtig. Von Normalität sind die Amerikaner demnach nach wie vor weit, weit entfernt.
Extremmetal diverser Färbungen wird auf bewährtem, technisch höchstem Level dargeboten, und hierbei wird bandtypisch über den Tellerrand geschaut: Indie-Elemente, Mathe-Leistungskurse, Jazz, Filmmusik, französische Traditionals, russisch-folkloristisch anmutende Sounds, Noise, Alternative, Postwhatever, Voivodesk-Futuristisches, klassische Anleihen – und über dieses ohnehin bunte Gemälde sprüht, sprenkelt, spritzt, pinselt und kleckst Rogers mit seiner unverkennbaren, vielseitigen Stimme zusätzliche Farbnuancen, sodass das Bild erst dann wirklich vollständig ist – von Gebrüll und Geschrei bis zu den sonderbaren Klarvocals zieht der Workaholic wieder einmal alle Register seiner Fähigkeiten. Die Stimmungen, die bei all den Drehungen und Wendungen entstehen, könnten dabei unterschiedlicher nicht sein: Wahnsinn, Schönheit, Wut, Aggression, Beschwingtheit, Verzweiflung, Freude, Euphorie, Nervosität, Ruhe...
FAZIT: Das Quintett beweist Selbsttreue und besinnt sich hierbei auf seine Meisterdisziplinen. Den Fan anspruchsvoller, harter Musik wird‘s freuen. Und jene, die mit BTBAM seit jeher nichts anfangen konnten, werden auch um diesen Dreißigminüter einen großen Bogen machen. Selbst schuld.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.04.2011
Dan Briggs
Tommy Rogers
Paul Waggoner, Dustie Waring
Tommy Rogers
Blake Richardson
Metal Blade
30:02
08.04.2011