„Am Anfang war das Wort!“ - Doch dann kamen die Noten, um von einem französischen Weichkäse musikalisch die Geschichte erzählen zu lassen. Ganz ohne Worte!
Verstanden?
Sicher nicht!
Aber ganz ähnlich ergeht es einem beim Hören von „Schnörgl Attahk“.
Also versuchen wir es einfach anders.
Wer heutzutage als großer Fan abgefahrener Musik aus dem Dunstkreis von FRANK ZAPPA gilt, der konnte schon viele weitere musikalische Entdeckungen machen, egal ob die nun FROGG CAFÉ oder LES CLAYPOOL'S FROGG PARADE heißen (Beides übrigens absolute Geheim-Tipps!). Wobei ich nach wie vor schwer darüber nachgrüble, was Zappa und die Frösche gemeinsam haben, weil der Maestro ja eigentlich mehr auf „Titties & Beer“ stand und weniger auf Froschschenkel.
Aber spätestens wenn auch noch ein Camembert ins Spiel kommt, dann konnte man nur noch an eine einzige Band denken, die mit ihrem „Camembert Electrique“ wie in einem UFO samt seltsamer (nicht grüner, aber mindestens genauso ungewöhnlicher) Männchen durch die Musikgeschichte flogen. Deren UFO war übrigens eine fliegende Teekanne und der Name dieser wohl abgefahrensten Band der 70er Jahre lautete GONG! Kapitän dieses musikalischen Imperiums zwischen Genie und Wahnsinn war, man höre und staune, DAEVID „Zero The Hero-Bert Camembert“ ALLEN. Den Musik-Schweif, den sie am Himmel hinterließen, war eine irre Mischung aus Psyche-, Jazz- und Space-Rock. Dazu kamen Texte, die der pure Nonsens waren, auf dem Planeten Gong und in besagtem fliegenden Teekessel spielten oder mit Engels-Eiern gewürzt waren. Gerade diese Verrücktheit machte den unglaublichen GONG-Reiz aus.
Und genau 40 Jahre später taucht in Frankreich wieder ein elektrifizierter Camembert auf, der zwar nicht in fliegenden Teekannen daherkommt, aber dafür mit einer mindestens genauso verrückten Geschichte, der „Schnörgl Attahk“ eben. Allerdings hat diese Attacke einen echten Haken, denn die schwer durchgeknallte Story kann man zwar im Booklet nachlesen, aber die Musik verzichtet gänzlich auf Gesang, so dass CAMEMBERT nur eine instrumentale Auslegung ohne verbale Vertiefung betreibt. Schade, schade – denn zu solcher Geschichte gehört auch ein in der Musik nicht nur instrumental, sondern auch vokal umgesetzter Text.
Und wenn ich hier schon so viel über diese Geschichte, die wie die Story eines aus dem Irrenhaus entflohenen Patienten klingt, schreibe, dann sollte ich wohl auch versuchen, diese kurz zusammenzufassen:
Die Schnörgl sind außerirdische Kotzbrocken, die von Professor Frankenschnörgl angeführt werden, der gerade an grauenerregenden Waffen experimentiert, mit denen er die Erdlinge (Also uns!) zerstören will.
Den Erdlingen zu Hilfe eilt ein Raumschiff in Form eines gigantischen Camemberts, in dem bereits einstmals entführte bzw. gerettete Wesen, ein Schwefel-Arbeiter (der an Vulkanen Schwefel sammelt), ein dummer Vogel vom Mars und ein Kamel, leben. In „Untung Untungan 2.0“, „El Ruotuav Ed Sram“ und „La Danse Du Chameau“ werden die Lebensläufe der drei Figuren umgesetzt, wobei besonders das Kamel ein ungewöhnliches Erlebnis aufzuweisen hat, da es, während es von einer geilen Kameldame träumt und einen riesigen Ständer bekommt, beinahe in einem Sandsturm zugrunde geht und im letzten Moment noch von dem fliegenden Camembert gerettet wird. Aber auch der bescheuerte Mars-Vogel hat's in sich, da er plant, auf dem Mars ein diktatorisches Königreich zu erschaffen und deshalb auf die Erde fliegt, um dort die Diktatoren, Kriegstreiber und andere Geisteskranke zu studieren, um deren Erkenntnisse zur Beherrschung des Mars' umzusetzen. Dabei wird dieser abgefahrene Vogel von der fliegenden Erdpolizei entdeckt und gefangengenommen, aber wiederum vom fliegenden Camembert befreit.
Währenddessen arbeitet am anderen Ende der Galaxie Dr. Frankenschnörgl, als Führer der Schnörgl-Armee an neuen Waffen und biogenetischen Experimenten, um den Planeten der Erdlinge zu zerstören. Dabei hilft ihm auch seine eigene Kreation, der fliegende Mörder „Le Meurtrier Volant“, ein Ripper, der mit seinem fliegende Teppich unterwegs ist, um im Vorfeld alle wichtigen Persönlichkeiten auf der Erde, Politiker und Diplomaten, auf grauenhafte Art zu ermorden, damit die bevorstehende Invasion der Erde durch die Schnörgl-Armee erleichtert wird.
….................. So, diese Geschichte musste einfach mit in die Kritik. Irre, oder?
Weniger irre ist dagegen die Musik, die man kurz und knapp als ein Jazz-Album von FRANK ZAPPA beschreiben könnte, das so nie von dem großen Meister, sondern von seinem musikalischen Nachwuchs aus Frankreich kreiert wurde. Doch gerade in Frankreich ist das nichts wirklich Neues. Seit über 15 Jahren existiert dort bereits eine mindestens genauso verrückt Band, genauer ein Trio, das MÖRGLBL heißt. Und irgendwie habe ich den Eindruck, dass wohl CAMEMBERT diese Jungs nicht unbekannt sein sollten, denn dieses „Geschnörgl“ erinnert nicht nur musikalisch, sondern auch begrifflich stark an Mörglbl und besonders deren tolles 2007er Album „Grötesk“. In einer Kritik dazu, die ihr unter diesen Seiten findet, schrieb ich einen Absatz, der genauso auch zu „Schnörgl Attahk“ passt. Darum will ich mich hier einmal selbst zitieren:
„Und wenn ich schon ständig diesen ZAPPA, den Großmeister progressiv verspielter und sich keinerlei Strömungen verschließender, aber immer höchsten Ansprüchen erfüllender Musik, erwähne, dann ist es wohl auch meine Pflicht, speziell auf die Alben des benannten Großmeisters zu verweisen, die klanglich 'Grötesk' ähneln: 'Sleep Dirt' und 'Waka/Jawaka'.“
Diese Feststellung kann ich auch 1 zu 1 für „Schnörgl Attahk“ unterschreiben!
FAZIT: Die 2005 in Strassburg gegründete Band CAMEMBERT huldigt musikalisch rein instrumental ihrem großen Vorbild FRANK ZAPPA sowie dessen Grundsatz „Shut Up 'N Play Yer Guitar“ und garniert diese Musik mit einer Geschichte im Booklet, die viele Parallelen zu den frühen GONG aufweist. Hierbei sind besonders die Ähnlichkeiten zu ihren Landsleuten von MÖRGLBL unüberhörbar. Das ist zwar kein Käse, aber auch keine neue Kreation für den Gaumen bzw. die Ohren! Absolute Empfehlung für alle, die von ZAPPA nicht genug bekommen können (Das wären unter diesen Bedingungen locker 13 Punkte, auch wegen der immensen Vielfalt der eingesetzten Instrumente!). Doch leider, leider ist die Idee hinter „Schnörgl Attahk“ recht altbacken und dieser Weichkäse liegt schon ein wenig zu lange und fängt an zu stinken.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.12.2011
Pierre Wawrzyniak
Vincent Sexauer, Pierre Wawrzyniak, Francesco Zago (Titel 3)
Philémon Walter
Bertrand Eber (Trompeten, Didgeridoo, Kuhglocken, Stimmen & Whistle), Guillaume Gravelin (Harfe), Fabrice Toussaint (Trombone, Xybraphone, Triangle & Percussions), Julien Travelletti (Trombone & Tuba)
AltrOck Productions / Just For Kicks
51:12
27.09.2011