Wer den Titel des vorletzten Songs auf „Top 10“ vor lauter unerträglichen neuen wie alten Deutschtümlern im weiten Rockfeld wörtlich nehmen möchte, muss nicht in die Ferne schweifen, wenn er sein Essen bei sich behalten beziehungsweise eine echte Alternative entdecken möchte. Gestatten: CHÄIRWALK aus Hamburg, 15 Jahre jung und hierzuland zu unbekannt. Das muss geändert werden.
Das Trio spielt sich in die Herzen aller Fans von feistem wie kantigen, gefühlvollen wie ruppigem … nun ja – Rock eben. CHÄIRWALK gehen mit Spiel- und Wortwitz vor, gerne schroff wie im Opener oder etwas gediegener und hart am Indie-Wind (huch!) während „Attacke!“ und „Laune“. „Schmied“ schweift etwas aus und wurmt weniger im Ohr als standardisierter Stoner-Stoff anderer Gruppen, der wiederum eine geringere Halbwertszeit aufweist. „Nicht ich“ ist nicht nur ob der Lyrics ein Hinhörer, denn hier reißen die drei Musiker ein dynamisches Monster ab, das – bliebe es thematisch nicht am nüchternen Boden des Alltags – als episches Moment der Scheibe durchginge.
Richtig lang wird es tatsächlich erst mit „Sechs Richtungen“, bei dem der Hörer im Angesicht außerordentlicher Spannung feuchte Hände bekommt. Klingt die Selbsteinschätzung der Gruppe als progressiv vordergründig vermessen, trifft das Adjektiv auf diese gut neun Minuten am ehesten zu. Anderswo („Splitter“) klingt die Combo wie HELMET zu besten Zeiten ohne Hit-Neurose, und einer der Sänger hat SUNs Jörg Schröder verschluckt. Übrigens ist die deutlich unterschiedliche Stimmfärbung der Herren ein weiteres Plus. Wer zuletzt noch eine klassische Liebesballade abliefert, ohne sich in den Tücken unserer Muttersprache zu verstricken, dem sollte eigentlich die Welt gehören … zumindest die teutonische über die Waterkant hinaus.
FAZIT: CHÄIRWALK zocken ihren Rock spartenfrei, emotional und in unserer Landessprache. Sollten die ersten beiden Eigenschaften generell für gute Musik gelten, ist die dritte ein Bonus, der Anchecken nicht nur für Lokalpatrioten zum Muss macht. Ach ja, zur Schubladisierung: Von HERMANO bis POTHEAD hat man schon alles supportet. Know what I mean, auf gut Deutsch gesagt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.12.2011
Janny Only
Erik, Janny Only, Tim
Erik
Tim
141 Records
47:14
02.12.2011