Fast zeitgleich mit der neuen ICED-EARTH-Scheibe erscheint das zweite Album von CHARRED WALLS OF THE DAMNED, der Band um Richard Christy, Tim Owens und Steve DiGiorgio. Doch die ehemaligen Angestellten von Jon Schaffer gehen genau den umgekehrten Weg: Während letzterer auf "Dystopia" seine Songs wieder geradliniger, reduzierter und eingängiger gestaltet, klingt "Cold Winds On Timeless Days" noch verspielter und komplexer und damit stellenweise auch sperriger als das ohnehin schon technisch anspruchsvolle Debüt. Damals bot man genau die richtige Balance aus spielerisch herausforderndem Material und großen, hymnischen Hooks, diesmal lotet man die Extreme ein wenig mehr aus, ist sich aber stilistisch ansonsten treu geblieben. Die Songs klingen unverkennbar nach der Handschrift von Richard Christy, auch wenn der Einfluss seines Freundes Chuck Schuldiner immer mal durchschimmert und man CHARRED WALLS OF THE DAMNED wohl langsam als den inoffiziellen Nachfolger von CONTROL DENIED ansehen könnte. Wieder gibt es überwiegend heftigen, aggressiven und technischen Power Metal zu hören, der mit diversen Ausflügen ins Extreme angereichert wird (Blastbeats, fast Black-Metal-artige Passagen, Thrash-Riffing), aber auch immer sehr viel Melodie und eingängige Hooks beinhaltet.
Im Gegensatz zum Debüt hat man nicht nur die Anzahl der Tracks und die Spielzeit erhöht, sondern auch jeden einzelnen Song mit noch mehr Details und vielen verschiedenen Parts ausgestattet. Das macht es zunächst jedoch etwas schwieriger Zugang zu finden, zumal die Eingängigkeit zurückgefahren wurde und der Fokus nicht mehr ganz so stark auf großen Refrains und hymnischen Melodien liegt. In diesem Zusammenhang kann leider auch die Produktion nicht ganz überzeugen, alles ballert unheimlich fett und laut, so dass man das Gefühl hat, alle Instrumente und Spuren seien ständig bis zum Anschlag aufgedreht. Auch Tim Owens singt fast ausschließlich sehr kraftvoll und aggressiv, so das es dem Sound insgesamt etwas an Dynamik und Abwechslung fehlt. Dem Hörer werden kaum Verschnaufpausen gegönnt, was auf Dauer ein wenig ermüdend wirkt. Gleichzeitig klingen vor allem die Gitarren verwaschen und übermäßig verzerrt. In Kombination mit den teilweise komplexen Arrangements und technischen Spielereien sorgen die Produktion und der Mix somit nicht für Klarheit, sondern erschweren den Einstieg eher zusätzlich. Ab und zu hat man fast das Gefühl, mehrere Songs gleichzeitig zu hören, wenn z.B. Drums und Gitarren einmal wieder absichtlich rhythmische Verschiebungen gegeneinander spielen, gleichzeitig aber mehrstimmige Leads und Gesangsharmonien miteinander ringen. Hier wäre es oft besser gewesen, bestimmte Elemente im Mix in den Vordergrund zu stellen und nicht alle gleichberechtigt nebeneinander zu stellen.
So lassen sich beim ersten Durchlauf dann auch nur wenige richtige Hits ausmachen, und auch die Songreihenfolge scheint etwas unglücklich. Das Album beginnt mit "Timeless Days" fast ein wenig verhalten, aber immerhin mit einem starken Refrain, der beim folgenden "Ashes Falling Upon Us" dann deutlich unspektakulärer ausfällt. Dann jedoch bläst der Überflieger "Zerospan" alles weg: Dieser unheimlich abwechslungsreiche Track reiht eine grandiose Melodie an die andere, bietet dennoch jede Menge extreme Parts und übertrifft damit sogar die Highlights des Debüts. Dies wäre der perfekte Opener gewesen, mit dem gemäßigteren, sich nachträglich aber deutlich steigernden "Timeless Days" in Folge. Mit "Lead The Way" und "Forever Marching On" hat man immerhin noch zwei ähnlich mitreißende Hits zu bieten. Doch auch bei den anderen Tracks entfalten sich nach und nach markante Melodien und packende Passagen, wenn man erst einmal das klangliche Chaos entwirrt hat. Jedoch hätten es zwei, drei Songs weniger auch getan.
FAZIT: Mir persönlich sagte das kompaktere, eingängigere Debüt einen kleinen Tick mehr zu, auch wenn einzelne Tracks dieses sogar übertreffen. Technikbegeisterte Fans progressiver Klänge werden aber vielleicht eher dem zunächst etwas anstrengender wirkenden und stärker fordernden "Cold Winds On Timeless Days" den Vorzug geben. Unabhängig davon beweisen CHARRED WALLS OF THE DAMNED jetzt bereits zum zweiten Mal ihr Talent für eigenständigen, technisch herausragenden Metal. Da man zudem mit Richard Christy über einen ausgesprochen kreativen Songwriter verfügt und immer wieder ein Händchen für starke Melodien zeigt, kann man dieses Album trotz kleiner Kritikpunkte nur empfehlen.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.10.2011
Steve DiGiorgio
Tim Owens
Jason Suecof
Richard Christy
Metal Blade Records
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07.10.2011