Chris Gates sieht ein wenig aus wie Kirk Windstein und war bereits unter anderem bei den Anarchos THE SKATENIGS aktiv. Bluest der Mann nun, sollte klar sein, dass er bei aller Traditionsliebe nicht mit der weißen Kapuze auf der Ladefläche seines Pickup steht. Seine knorrige Stimme trägt ihren Teil dazu bei, "Welcome To Gatesville" als rebellische Südstaatenscheibe abzufeiern - doch nicht so voreilig; man wird überrascht …
"I'm Not Your Man" bietet nach vitalem Einstieg Schlüpfriges bis Klischeeträchtiges, wie man es erwartet. GATES meckert aber nicht, sondern bekundet unverbitterten Humor und Freude am Leben, wiewohl mit lakonischem Blick zurück. Verzerrte man "Devil's on My Trail" mehr, hätte man flott einen MOTÖRHEAD-Song, doch danach spielt der harte Mann umso relaxter auf - mit dem slowen Streichler "Forever Came Today" sowie dem ähnlich gestrickten "Broken Hearts and Faded Pictures". "Loving You" ist dann tatsächlich nichts weiter als akustisches Schmeicheln mit niemals zerbrechlichem, aber dennoch verwundbar klingendem Gesang. Hier liegt der Überraschungsfaktor begründet: die Scheibe erweist sich unverhofft als eine ziemlich auf Zwischenmenschliches konzentrierte, und es tut ihr im Brodem der Vielzahl von Rednecks in der stilistischen Nachbarschaft sehr gut, zumal GATES dem Kitsch trotz Feeling eine Absage erteilt. "The booze is talking, not me" … Solche Zeilen klingen vertraut und nicht einmal aufgesetzt oder fehl am Platz.
Der vermeintliche "Simple Man" ist also nicht so leicht durchschaubar, dafür jedoch ein "Man of My Dreams" (die Holden dürfen sich diese Worte in den Mund legen) zum Schunkeln und Liebhaben mit jubilierender Orgel. Den "Southern Man" vergisst GATES natürlich nie, und dieses Stück rockt logischerweise wieder etwas mehr, wenn auch nur unmerklich. Der eigenen Stimme räumt der Protagonist viel Platz ein, aber seine Landesliebe gerät in diesem Fall überhaupt nicht widerlich im Vergleich zu dem, was andere so an Bockmist verzapfen. Zuletzt zu erwähnendes Highlight: "Come See About Me", ein uriger Schleicher mit Gospel-Anmut.
FAZIT: CHRIS GATES findet für Southern Rock erstaunlich sanfte und keineswegs prollige Töne, überzeugt handwerklich, textlich und kompositorisch mit Liedern, die gleichzeitig ehrliche Gefühle hervorkehren, ohne auf die Sentimentalitätsdrüsen zu drücken, und legt ein unverkrampftes Ja zum Menschendasein an den Tag, wie es nur wenige in seinem Genre beherrschen, ohne selbstgerecht zu wirken.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.03.2011
Scott Womack
Chris Gates
Chris Gates, Tony Redman
Paul Soliz
Anodyne / Just For Kicks
65:09
25.02.2011