<i>Bitte beachtet auch unser <a href="http://www.musikreviews.de/artikel/Von-Korova-zu-KorovaKill-zu-Chryst-Von-der-Kuh-zum-Herrn-32/" target="_blank">KOROVA/KOROVAKILL/CHRYST-Special</a> in der Kolumnen-Rubrik!</i>
Eine ganze Dekade lang musste der Fan der österreichischen Avantgarde-Metal-Kapelle KOROVA, zuletzt als KOROVAKILL aktiv, warten, bis nun endlich neues Material aus den verworren-verschwurbelten Gehirnwindungen Chrystof Niederwiesers in vertonter Form das Licht der Welt erblickt. Fast glaubte man, die Band existierte nicht mehr.
Das stimmt in gewissem Sinne auch, denn anno 2011 besteht die Experimental-Legende ausschließlich aus Niederwieser himself. Er ist sein eigener Herrscher, und man kann daraus schlussfolgern, dass dies auch der Grund ist, dass aus KOROVAKILL nun CHRYST geworden sind, denn das sind auch die ersten sechs Buchstaben des Vornamens des Bandschöpfers. Dementsprechend macht der ins Ländle übergesiedelte musikalische Sonderling auf „PhantasmaChronica“, das auf dem selbstgegründeten Label Omniversal Records erscheint, auch, was wer will. Ganz ohne kreative Kompromisse mit Plattenfirmen oder Bandmitgliedern.
Im Grunde findet man auf diesem Album, welches von einem einzigen, 47-minütigen Song gebildet wird, viele vergangene Elemente wieder: Die Durchgeknalltheit von „A Kiss In The Charnel Fields“, das Geordnet-Eingängige von „Dead Like An Angel“, den Groove von „WaterHells“ - aber „PhantasmaChronica“ ist nicht etwa bloß ein Wiederkäuen avantgardemetallener Nostalgie, sondern eine Art Bestandsaufnahme plus Blick weit nach vorn.
Deutlich wird, dass gelegentlich wieder ungleich mehr geknüppelt wird. In Teil IX der vierzehn Abschnitte, „The NovoPharus – The ChronoMagus“, wird infernalisch geblastet, während schräge Keyboards, Minnesang und beinahe alpines Gejodel für querschießende Nervenregungen sorgen. Akt I („The Awakening“) erinnert hingegen ganz an frühere Ergüsse, während der darauffolgende Part II („I Are You“) an „Carmina Burana“ erinnert, flankiert von lavaeskem SloMo-Geschrote. Wie PORCUPINE TREE auf Anabolika plus LSD klingen dürften, dokumentiert Part VIII („Metatropolis“), und was aus STRAPPING YOUNG LAD beziehungsweise DEVIN TOWNSEND werden könnte, wenn man sie in der Mitte auseinander reißt und eine Hälfte ins Mittelalter, die andere hingegen ins 26. Jahrhundert schießt, zeigen Part IV („Storming Outside“) sowie das eingangs erwähnte, neunte Albumsegment.
Morbide Walzer (Part X, „The Drill-Tower“), intelligente Elektronik (Teil VII, „A New Age“), Balkan-Medieval-Trip-Hop-Wasserpfeifen-Rhumba-Knüppelpop (Abschnitt XI, „Templum Tempus“) oder Monsterbrutalo-Groove plus „ENTER SHIKARI goes CARL ORFF“ wie in „Grow Into Labyrinths“, dem zwölften Part, gefällig? All das und noch unzählige Kuriositäten mehr finden sich auf diesem kleinen rot-weiß-blauen Epos wieder.
Kritiker werden das wilde, freigeistige Treiben für planloses, auf Weirdness getrimmte Kreativonanie halten, doch letztendlich darf der Liebhaber der Grenzenlosigkeit doch froh sein, dass es noch Querkopfmusikanten wie Niederwieser gibt, denn was wäre der musikalische Kosmos ohne die, die sich nicht nur bis zur Schulter aus dem Fenster hinaus lehnen? „PhantasmaChronica“ ist ein herrlich naiv-verspieltes, respektloses Stück psychedelisch-epischer Bleigießkunst, das Spaß an dem Getanen ausstrahlt. Sollen andere Musiker doch Nummer-Sicher-Platten abliefern.
Ein paar Schönheitsfehler hat dieses Werk jedoch: Einmal wäre da der Mix der Stimmen, die gelegentlich zu weit nach hinten gerückt sind – zweitens sorgen die programmierten Drums für ein klein wenig zu viel Sterilität, das dem Gesamten ein wenig die Lebendigkeit nimmt, und das kostet am Ende dann doch ein, zwei Punkte in der Wertung.
FAZIT: Ein nicht ganz perfektes, aber definitiv gelungenes, starkes Comebackalbum, das mal eben zig „Genrekollegen“ gegen die Wand spielt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.10.2011
Chrystof Niederwieser (alles)
Omniversal Records
47:22
21.09.2011