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Claudio Puntin & Lucerne Jazz Orchestra: Berge versetzen

Stil: Jazz / Klassik

Cover: Claudio Puntin & Lucerne Jazz Orchestra: Berge versetzen

Musik für Jazzorchester mit dem Flair der Schweiz - dies war das Anliegen des Klarinettisten CLAUDIO PUNTIN, als er sich an die Komposition dieser Scheibe machte. Herausgekommen ist ein gleichzeitig neuerndes wie tradtionelles Werk, das Avantgarde bar jeglicher Ungenießbarkeit versprüht und dazu noch recht unkompliziert zu verdauen ist. Von wegen Kopfmusik …

"Em Pfudäpf sine" gibt den Weg vor: Volkstümlichkeit und Impressionismus klingen gleichermaßen an, wobei eine Tendenz zum Hymnischen nichts zuletzt ob der üppigen und bläserlastigen Instrumentierung nicht von der Hand zu weisen ist. "Seifendauer" stellt die federführende Klarinette zunächst dem Klavier zur Seite, um dann im großen Stil aufs Tanzparkett zu bitten. Allerdings verbreitet man dort eher sphärische statt einer ausgelassenen Stimmung.
Die siebenteilige "Swiss Suite" wartet mit gelegentlich unerhört materialhaften Klängen auf, und wenn klare Rhythmen hervortreten, dann nicht aus den Körpern gewöhnlicher Klangerzeuger (sprich: vom herkömmlichen Schlagzeug ausgehend). Als Beispiel sei die Sequenz "Von der Hand in den Mund" genannt, während welcher PUNTIN seinem Instrument geradezu kreatürliche Töne entlockt. Glatt, wie manch einer angesichts des Schulterschlusses von Klassikern und einem Jazzer vermuten mag, klingt "Berge versetzen" also nicht. Insa Rudolph interpretiert mehrere Gedichte der Luzernerin Sabina Naef vor gedämpftem bis landschaftsmalerischem Hintergrund. Speziell die Bläser sind es, die - so schnöde es klingen mag - die Berge vorm geistigen Auge aufziehen lassen. Teile wie "De Chäib" grenzen beinahe an gediegenen Fusion-Jazz ohne Rock-Bezug, wohingegen anderes ("St. Jacob") gänzlich dem Orchestralen verhaftet bleibt. Ersteres wiederholt sich später mit "Sorbet Rafael", dass dem ursprünglichen Combo-Sound wohl so nahe wie kein anderes Stück steht. Klar, dass das "Wälzerli" danach ein Extrem am anderen, pastoralen Ende auslotet, während "Nocturne" wie ein solches, klassisches gehalten ist.

Die deutschsprachige Lyrik versprüht übrigens relativ ambivalente Gefühle, bleibt vage und dennoch nicht ohne konkreten Inhalt. So gleicht sie einer losgelösten Erinnerung und passt gut zur Luftigkeit von PUNTINs Kompositionen. Die "Fünf Lieder", das liegt nahe, gehen als ebensolche durch und geraten vergleichsweise kompakt, können für sich selbst stehen, statt sich in den großen Kontext einreihen zu müssen.

FAZIT: CLAUDIO PUNTIN beeindruckt mit diesem gleichermaßen soundtrackigen wie greifbaren Stück, indem er traditionelle, gar regionaler Tradition verhaftete Klänge teils avantgardistischen Experimenten gegenüberstellt. So wird "Berge versetzen" zu einem spannenden Hörerlebnis, das die Schweiz tatsächlich aus der Landkarte reißt und vorbehaltlos zur Veranschaulichung ans musikalische Firmament hievt, auf dass man sich ihr mit bislang nicht eingenommenem Blickwinkel nähert. Weder Jazz noch Klassik gelten hier als eindeutige Hilfen zur Einordnung des Ganzen; eher schon cineastisch bis liedhaft - Reinhören und selbst ein Bild machen!

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.03.2011

Tracklist

  1. Em Pfudäpf sine
  2. Seifendauer
  3. Swiss Suite
  4. Fünf Lieder
  5. Sorbet Rafael
  6. Wälzerli
  7. Nocturne

Besetzung

  • Gesang

    Insa Rudolph

  • Sonstiges

    Claudio Puntin (clarinet), David Grottschreiber, Lucerne Jazz Orchestra

Sonstiges

  • Label

    Unit Records / Alive

  • Spieldauer

    72:49

  • Erscheinungsdatum

    18.03.2011

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