Also, das tut ja mal richtig gut. Drei Jungspunde (alle zwischen 22 und 25) raufen sich zusammen, pfeifen auf Trends, Spartenmucke, jegliches Anbiedern an spezielle Zielgruppen und nehmen in einem wahren Kraftakt (laut Bandwebsite neun Monate Produktions- und elf Monate Vorbereitungszeit) ein bunt schimmerndes Album auf, das mehr Facetten enthält als die gesamte dreißigjährige Karriere manch professionellen Musikers, der es sich in einer warmen Nische gemütlich gemacht hat und Jahr für Jahr reflexartig sein Standardrepertoire herunter betet.
Nach bloß einer EP aus dem Jahr 2008 („Even Nature Will Be Thrilled“), dreht das Trio mit seinem Debüt beängstigend weit auf: „Good Morning, How Did You Live?“ riecht, nein duftet herrlich nach jugendlichem Sturm und Drang und einem inneren Zwang, die eigene Gefühlswelt in leidenschaftliche Töne zu kanalisieren. Wüst wildern CRYPTEX in der Musikgeschichte: Progressive Rock, Alternative und Symphonisches muss dran glauben, während psychedelischer Folk von der Hard-Rock-Bratpfanne eins über die Rübe gezogen bekommt. Die Band wechselt gekonnt zwischen modernem Alternative-Prog und anachronistischer (zeitloser?) Woodstock-Musik hin und her, ohne dabei aus dem Tritt zu kommen. Von orientalischen Ornamenten verziert hebt sich der Musicalvorhang um Platz zu schaffen für einen gemeinschaftlichen Auftritt von COHEED & CAMBRIA, MAJOR PARKINSON, SHADOW GALLERY und THE MARS VOLTA. Blechbläser und Pianoklänge aus der verrauchten Kneipe wehen herüber, poppige Arrangements und eingängige Ohrenschmeicheleien ergänzen sich hervorragend zu einem Trip, der ganz und gar nicht sperrig mit erstaunlicher Leichtigkeit zu berühren vermag: Intellektuelles Blendwerk produzieren andere. Sänger Simon Moskon verschont den Hörer vor quietschendem Heliumgesang und wartet mit einer angenehmen Stimme auf, die in mittleren Tonlagen die sanften Töne gleichermaßen zu treffen versteht, wie die schmutzig rockenden.
FAZIT: Auch, wenn noch nicht jedes Detail hundertprozentig nahtlos ineinander fließt: CRYPTEXT punkten mit einer ungestümen, leidenschaftlichen Vorstellung, die Crossover im Wortsinn bietet. Vom Prog-Rocker bis zum offenen Rock- und Metalhörer sollte hier jeder einmal reinhören.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2011
Simon Moskon
Simon Moskon
Martin Linke
Simon Moskon
Ramón Fleig
Simon Moskon (Piano, Bluesharp, Didgeridoo), Ramón Fleig (Percussion, Cajón), Martin Linke (Sansula)
SAOL/H'Art/Zebralution
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25.03.2011