Zugegeben, vom eher klassischen Progressive Rock und -Metal war ich in letzter Zeit enorm gelangweilt, da nur die wenigsten Bands über die Standards hinaus agieren und stattdessen selbstverliebt ihre Reißbrett-Arrangements, vollgestopft mit ach-so-tollem Tonleiter-auf-und-ab-Geklettere und x-mal gespielten Figuren herunter rattern.
Zwar sind auch die Hannoveraner CRYSTAL BREED nicht unbedingt progressiv im Wortsinn, aber einerseits ist ihr Gemisch aus bewährtem Prog, QUEEN-Gedächtnisparts, Pop-Appeal, Metallsplittern und alternativen Elementen in dieser Form deutlich origineller, da alles wie selbstverständlich durcheinander geworfen wird, andererseits musizieren die Niedersachsen um einiges frischer und auf sympatisch-naive Art und Weise enthusiastischer, sodass die Songs nicht so distanziert und demonstrativ elitär vorgetragen werden, sondern mit aufrichtigen Gefühlen auch die emotionalen Rezeptoren angesprochen werden und nicht nur die, die die Kinnlade der Gravitation ausliefern. Ich möchte anderen Proggern damit gar nicht ihre Leidenschaft absprechen, doch bei verdammt vielen Truppen gewinnt die Routine dann doch Oberhand – und dieser Eindruck entsteht bei diesen vier Musikern nie.
Neben den fantastischen Vocals muss auch die Experimentierfreude des Quartetts gelobt werden, denn die erst 2008 (!) gegründete Band baut neben fast radiotauglichen Singalongs gerne auch – einfach mal so – Disharmonien ein, tönt erst bombastisch, dann minimalistisch, dann rock‘n‘roll as fuck und hinterher episch, dann brettert schon mal ein Blastbeat dazwischen, wodurch bis zum Ende hin mit Überraschungen gerechnet werden kann.
FAZIT: Wenn die Band schon drei Jahre nach Gründung zu einer solchen Form aufläuft, möchte ich gar nicht erst wissen, wie gut der zukünftige Stoff aus der Feder Turmanns und Hanns erst werden wird. Welch ein Debüt!
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.12.2011
Michael Schugardt
Niklas Turmann, Corvin Bahn
Niklas Turmann, Corvin Bahn
Thorsten Harnitz
LTYH Records
57:42
11.11.2011