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Curved Air: Airconditioning

Stil: Folk / Progressive Rock

Cover: Curved Air: Airconditioning

Jeder fing mal klein an, auch die britische Sanftprog-Institution CURVED AIR: "Airconditioning" ist nicht das mutmaßliche Sensationsdebüt, sondern auch heute noch ein eher schwach produziertes Durchschnittsalbum mit guten Ansätzen, aber der Reihe nach …

Gleich zu Beginn während "It Happened Today" möchte man Frontfrau Sonja Kristina den Mund verbieten, so enervierend nach getretener Katze klingt sie. Dem solide simplen Song gereicht dies zumindest zur Eingängigkeit, abgesehen vom wenig schlüssigen, pastoralen Ende. "Stretch" im Anschluss klebt noch arg in den Sechzigern und kann sich mit Hinblick auf die Gesangsarrangements einer Sixities-Psychpop-Schlagseite nicht erwehren. Allerdings bleiben CURVED AIR dabei hinter den Erwartungen an das damals Machbare zurück, zumal ihnen das Hitschreiben abgeht. Das atonale Zwischenspiel zur Pseudo-Avantgarde ändert daran nichts, aber erneut: Kompaktheit und Zugänglichkeit sind nicht von der Hand zu weisen.

"Screw" ist dann der erste wirklich "progressive" Track im Sinne von Weiterdenkens sowie in puncto raumgreifende Arrangements. Sinfonische Gitarrensounds, Mellotron und weitgehend Schnabel Halten für Kristina sind angesagt. Die Stimmung steigt, das Auge schielt weniger auf die Masse als zum Spiegel, in dem sich das Künstlerego befriedigt sehen will. Das lichte Ballädchen "Blind Man" klingt geradezu possierlich, zwar wieder überschaubarer, dafür jedoch nicht zu offensichtlich poppig - eher düster, wie es die Band auch später in ihrer Laufbahn erfolgreich versuchen sollte. "Vivaldi" ist schließlich der unumstößliche barocke wie schrille Höhepunkt der Platte: Rein Instrumental, erst betulich, dann noisig und definitiv wegweisend im rockgeschichtlichen Kontext. ELPs "Pictures At An Exhibition" kam immerhin erst ein Jahr später.

Die B-Seite beginnt mit dem vitalen und einstweilen kräftig zupackenden "Hide and Seek" sehr gut, was im treibenden Folgestück eine weitere Steigerung erfährt. Das duselige Streicher-Einerlei "Rob One" lädt hingegen zum Schnarchen ein, während "Situations" ebensolche recht unterschiedliche zu beschreiben scheint: Man beginnt verhalten und verhebt sich dann an einem atmosphärischen Fusion-Dudel, der nicht wirklich über sechs Minuten gestreckt werden müsste. "Vivaldi with Cannons" ist dann bloß eine kurze Reprise, die einmal mehr Keith Emerson und seine Bühnenexzentrik ins Gedächtnis ruft. Way und Monkman scheinen ebenfalls zumindest auf dieser Scheibe recht gern mit Feuerwerkskörpern hantiert zu haben.

"Airconditioning" zeigt im Großen und Ganzen letztlich, woher der Hase CURVED AIR in Zukunft hoppeln sollte. Die Produktion ist schwach, die kratzenden Gitarren bestenfalls mit einem gewollten Acid-Vibe zu entschulden, und die Umsetzung der Ideen zeugt eben noch von juveniler Unerfahrenheit. Das muss nichts Schlechtes sein - im Gegenteil; der Rezensent hält es für immer noch besser, als sich den x-ten Weichzeichner-Aufguss gegenwärtiger vermeintlicher Schüler der Briten einzufahren.

FAZIT: CURVED AIRs Debüt wurde von Repertoire wie immer pfleglich im wunderschönen Digibook als Vinyl-Replik wiederveröffentlicht und zeigt eine flügge werdende Band, die zu den Rädelsführern der Siebziger Folkprog-Bewegung werden sollte. Dazu gibt es ein liebevoll aufgemachtes Booklet mit Fotos und allem drum und drum. Genug gesagt, jetzt reinhören und Wurzeln kitzeln.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.08.2011

Tracklist

  1. It Happened Today
  2. Stretch
  3. Screw
  4. Blind Man
  5. Vivaldi
  6. Hide and Seek
  7. Propositions
  8. Rob One
  9. Situations
  10. Vivaldi with Cannons

Besetzung

  • Bass

    Robert Martin

  • Gesang

    Sonja Kristina

  • Gitarre

    Francis Monkman

  • Keys

    Francis Monkman

  • Schlagzeug

    Florian Pilkington-Miksa

  • Sonstiges

    Darryl Way (violin)

Sonstiges

  • Label

    Repertoire

  • Spieldauer

    44:55

  • Erscheinungsdatum

    17.06.2011

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