373 v. Chr. wurde die griechische Stadt „Helike“ von einem schweren Erdbeben heimgesucht, das außerdem eine schwere Flutwelle mit sich brachte, die den Ort unter sich begrub. Alle Einwohner starben, die achaische Stadt versank im Meer und inspirierte Plato zum Mythos von „Atlantis“.
Wenn das mal nicht DIE Grundlage für ein im Retro Prog verhaftetes Konzeptalbum ist. Und wenn sich frierende Norweger zumindest künstlerisch ins warme Griechenland wünschen, kommen sie natürlich mit einem komplexen und ausladenden Werk heim. „Helike“ besteht aus zwei gleichberechtigten Teilen von jeweils über zwanzig Minuten Länge. Es wird georgelt was das Zeug hält, die Gitarre darf gelegentlich für romantisch-kontemplative Zwischentöne und Krach sorgen. Und ehe einer drauf wettet: Kurz angeblasene Flötentöne sind auch dabei. Der leicht heisere Daniel Maage keucht, singt, jubiliert sich durch’s Repertoire, bis die imaginäre Bühne wankt.
Das hat großartige, stimmungsvolle Momente, in denen es vertrackt zugehen kann, aber auch kontemplative Melancholie zu ihrem Recht kommt. Fliegt immer ganz dicht im Windschatten der großen Fünf des Progressive Rocks. Wobei KING CRIMSON und VAN DER GRAAF GENERATOR (vor allem zu Beginn) größere Bedeutung zukommt als GENESIS und PINK FLOYD. Die fünfte Band? Sucht euch eine aus.
In den besten Momenten treffen D’ACCORD den Siebziger-Jahre-Tonfall der Vorbilder ziemlich genau. In den schlechteren klingen sie wie eine rumpelige ARAGON-Variante.
Nicht originell oder gar innovativ, aber wenn sich der erste Schrecken über die hakelige und verstiegene Songstruktur gelegt hat, ertappt man sich dabei, dass einem das Album gefällt.
FAZIT: D’ACCORD gelingt das Kunststück, gleichzeitig altbekannt und eigenwillig zu klingen. Die Band hat keine Scheu vor ruppigen Ausbrüchen, sogar wenn diese mit atemloser Vehemenz und unbeholfenem Charme präsentiert werden. „Helike“ brennt halt, und wir rufen mit Inbrunst ein um’s andere Mal: „Fire“! Bei der gelegentlich aufkommenden Hektik (alles rennet, rettet, flüchtet) sind besonders die sphärischen Passagen mit entspannter (Gilmour)-Gitarre vor schleichendem Mellotron ein Genuss. Gesanglich und textlich zaubert das wüste Treiben gerne eine breite Lachfalte ins Gesicht des verdutzten Zuhörers – nicht absichtlich.
Insgesamt ist „Helike“, in seiner munter hin- und herschwappenden Unausgegorenheit und wogenden Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, ein appetitlicher Weltuntergangshappen. Das Rätsel von Atlantis wird allerdings nicht gelöst. Dafür ist es „too late“ wie Sänger Maage wiederholt betont.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.08.2011
Martin Sjøen
Daniel Maage
Stig Are S(o)und
Årstein "Yearstone" Tislevoll
Bjarte Rossehaug
Daniel Maage
Karisma Records/Soulfood
44:19
09.09.2011