Diese Steilvorlage kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Sagte doch DEAD CONFEDERATE Sänger und Songwriter Hardy Morris in einem Interview: “Die neue Platte wird „Sugar“ heißen. Den Namen wählten wir wegen dem ganzen Schnee, der uns während den Aufnahmen und der Entstehung der Tracks begleitet hat. Außerdem ist sie tatsächlich ein bisschen süßer geworden als ihr Vorgänger, nicht alles aber einige Momente jedenfalls.“
Was „Zucker“ mit „dem ganzen Schnee“ zu tun hat, sei mal dahin gestellt, aber mit der Puderquaste ist das zweite Album der Band aus Athens nicht betupft worden. „Sugar“ klingt etwas glatter und professioneller als das Vorgängeralbum „Wrecking Ball“, nicht unbedingt „süßer“. Denn es wird weiterhin ordentlich gerockt, und nicht nur der einprägsame Orgel-Einsatz sorgt für eine progressiv-psychedelische Note. Die (etwas zu) saubere Produktion ist John Agnello zu verdanken(?), der u.a. mit DINOSAUR JR., SONIC YOUTH und THE KILLS zusammenarbeitete. Das verleiht dem Album eine geschlossenere Note als dem hervorragenden Debüt, geht aber auf Kosten der kratzbürstigen Rauheit, die einen beim Hören des Erstlingswerks direkt gefangen nahm.
Doch ändert das nichts daran, dass DEAD CONFEDERATE auch beim zweiten Anlauf musikalisch voll überzeugen können. Im Spannungsfeld zwischen Grunge, Alternative Country und deftigem Rock mit psychedelischer Schlagseite finden sich sperrige Songs für „Wutbürger“ („Mob Scene“), rhythmische Wechselbäder wie „Semi-Thought“, die gar an vergangene New Wave-Helden wie die COMSAT ANGELS gemahnen und wenige ruhige Passagen von hymnischer Kraft ("Run From The Gun"), immer kurz davor in wildere Bereiche auszubrechen. Manchmal tun sie’s ("By Design"). So könnten die SMASHING PUMPKINS heute klingen, wenn sie sich auf effizientes Songwriting verlegt hätten. Eine Assoziation, die durch Hardy Morris‘ Stimme noch gestützt wird. Lässt an einen Billy Corgan denken, der in sich ruht und kein exaltiertes Boulevardtheater spielt.
FAZIT: 1.: „Sugar“ überzeugt über die gesamten viel zu kurzen 36 Minuten seiner Laufzeit. Was das größte Manko des Albums ist: Die Dauer. Doch da es viel zu entdecken gibt, sorgt die Repeat-Taste für Verlängerung.
2.: „Sugar“ bietet vorwärtspreschenden Alternative Rock, der in seinen besten Momenten an die manische Intensität von SIXTEEN HORSEPOWER heranreicht, ohne sie jedoch einholen, geschweige denn toppen zu können.
3.: „Sugar“ ist abwechslungsreich, bietet trotz relativ hoher Schlagzahl genügend Pausen und langweilt zu keiner Sekunde. DEAD CONFEDERATE haben ein Händchen für dramatische Melodien, die ihre wahre Größe besonders im gemäßigten Tempobereich entfalten. Das gebremste, aber intensive „Run From The Gun“ ist neben „Shocked To Realize“ der herausragende Song des Albums.
4. An welches andere, ziemlich bekannte Lied erinnert mich “Shocked To Realize” so vehement?
5. Die Band halt “Sugar” für das erste richtige Album und den Vorgänger “Wrecking Ball” eher für eine Art Song-Kollektion. Ist ihr gutes Recht. Ich ziehe das ungezügeltere Debüt dennoch knapp vor.
6. Warum muss ich an manchen Stellen bloß an die MOODY BLUES denken? Alle anderen genannten Bands liegen näher. Und trotzdem…
7. Obwohl das offizielle Veröffentlichungsdatum hierzulande der 04.02.2011 ist, gibt es das Album (zumindest online) bereits seit einem guten halben Jahr ohne Importvermerk regulär zu kaufen. Das verstehe wer will.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.01.2011
Brantley Senn
Hardy Morris
Walker Howle
John Watkins
Jason Scarboro
Kartel/Soulfood
36:11
04.02.2011