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Earthship: Exit Eden

Stil: Post Hardcore / Sludge

Cover: Earthship: Exit Eden

Gründungstechnisch gesehen ist EARTHSHIP quasi noch im Mutterleib. Im besten Fall ein gerade frisch geschlüpftes Küken, das sich bislang noch nicht einmal gejährt, geschweige denn alle Schalen von sich gestreift hat. Süß eben. Zum Bandimage passt das nicht so ganz, wo doch eher Assoziationen zu urgewaltigen Geschützen aufgefahren werden – einem "nuklearangetriebenen Eisbrecher" etwa, der sich entschlossen seinen Weg durch die eisige See bahnt, beladen mit "mächtigen Riffs", "tonnenschweren Grooves" und "selbstgebrautem Whiskey", wenn man die Promoabteilung fragt. Klar, denn EARTHSHIP ist ein Abkömmling der bedeutungsschwangeren Berliner / Neuschweizer THE OCEAN.

Jan Oberg ist der Kopf hinter dem Projekt. Jan wer?, muss man bei der unüberschaubaren Menge an Beteiligten des OCEAN-Kollektivs fragen. Oberg heißt der Mann, Ex-Schlagzeuger (in der frühen Bandphase) und –Vokalist (eine Passage auf "Precambrian"). Jetzt also singt er hauptverantwortlich und bearbeitet die Saiten in seiner eigenen Band, so wie es sich eben für einen Frontmann gehört… es sollte wohl mal was anderes sein.

Wem der Name Jan Oberg nicht klangvoll genug ist, für den ist noch Robin Staps mit an Bord, dem man bei THE OCEAN eine zentrale Position zuschreiben muss. Die Ex-Kollegen waren jahrelang Nachbarn in Berlin und spielten schon vor zwölf Jahren erstmals gemeinsam in einer Band. So etwas verbindet. Der Vermarktung spielt das auch in die Karten, denn Staps wird vermutlich mindestens genauso begehrt sein als Interviewpartner wie Oberg und nicht umsonst ist es Staps, dessen Worte bei der Präsentation von "Exit Eden" zitiert werden. Dies sicherlich auch im eigenen Interesse, denn immerhin wird die Platte von Staps' Label vertrieben.

Dennoch ist es Oberg, der alleine für das Songwriting verantwortlich zeichnet. Ein tieferes Eingehen auf den Inhalt, so spannend das gerade bei einem OCEAN-Ableger wäre, kann aufgrund fehlender Songtexte und schwer zu entziffernder Oberg-Growls nicht vorgenommen werden, doch Albumtitel und Artwork versprechen eine ähnlich komplexe und mehrere Dimensionen umfassende Auseinandersetzung mit Ismen in geschichtlichen, mythologischen und religiösen Zusammenhängen.

Auch musikalisch sind die Zusammenhänge schnell gefunden: obwohl insgesamt kompakter und schneller auf den Punkt gebracht als die Werke des Berliner Mutterschiffs, wurde der Nabel dorthin nicht durchtrennt. Dass dies überhaupt die Absicht Obergs gewesen ist, darf dank des Mitwirkens von Staps ohnehin bezweifelt werden. Es ist ganz offensichtlich DER Ozean, THE OCEAN nämlich, den das EARTHSHIP durchkreuzt. Oberg übernimmt die typische Aura des Überdauernden und Beständigen, die bislang THE OCEAN vorbehalten war, vermischt sie aber mit Einflüssen ähnlich gelagerter Bands, die gerade im Trend liegen, MASTODON, BARONESS und KYLESA etwa, und öffnet die Autarkie des OCEAN-Kosmos dadurch ein Stück weit für Genre-Querbezüge. Spätestens bei den Gesangslinien von "Sea Of Peril" und den Riffs von "Fever Pitch" ist die Konsensschaffung vollzogen.

Ist es verwerflich, eine Querschnittmenge aufzuspüren und sie auszureizen? Kaum, wenn derart kompetent und ganz ohne das Babygetaumel eines Neugeborenen musiziert wird. "Exit Eden" ist eines der ersten Alben 2011 und steckt just einen Großteil des 2010 erschienenen Materials in die Tasche. Das mag auch daran liegen, dass EARTHSHIP die Genretrends klüger und subtiler für sich zu nutzen wissen als beispielsweise JAMES LABRIE mit seinem letztjährigen Soloalbum im Bereich modernen Progmetals. Ohnehin klingt "Exit Eden" kaum trendanbiedernd und dank seiner Schwere schon gar nicht kommerziell, jedoch etwas songlastiger und weniger konzeptionell als viele seiner Bezugswerke, auch dank einer sich harmonisch ins Gesamte einschmiegenden Ballade wie "Grace".

FAZIT: Zwar muss dieser Eisbrecher nicht mehr wirklich Schollen halbieren, aber er bewegt sich außerordentlich souverän durch jüngst entstandene Wasserpfade. Dass Oberg und Staps sich gut kennen, merkt man dem Songmaterial an. EARTHSHIP klingen bei weitem nicht wie gerade frisch erfunden, gleichwohl auch noch nicht etabliert; gerade das aber führt eine willkommene Abwechslung gegenüber den Schirmherren von THE OCEAN mit sich, die stets am Rande der Überproduziertheit gratwandern.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.01.2011

Tracklist

  1. Caught In A Storm
  2. Sea Of Peril
  3. Fever Pitch
  4. A Line Dividers
  5. Born With A Blister
  6. Bleak
  7. Grace
  8. A Feast For Vultures
  9. Soul Embedded
  10. Exit Eden
  11. ...As If She Were A Black Bird

Besetzung

  • Bass

    Bastian Gutschke

  • Gesang

    Jan Oberg

  • Gitarre

    Jan Oberg, Robin Staps

  • Schlagzeug

    Dennis Boettcher

Sonstiges

  • Label

    Pelagic Records

  • Spieldauer

    39:07

  • Erscheinungsdatum

    28.01.2011

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