Wunderbar geschmackvoll auch, mal wieder gerade eines der Heidenwörter zum Titel zu wählen, die sich ob ihrer Vergangenheit geradezu anbieten, wenn man sich ins rechte Abseits stellen will … Allerdings führen GERNOTSHAGEN einen braven Krieg, nämlich den der Pagan-Szene gegen ihren wie auch immer gearteten domestiziert religiösen Erzfeind. Schattenboxen oder Kampf gegen Windmühlen? Paranoia oder berechtigte Furcht vor "kultureller Zersetzung"?
Schlussendlich mag einmal mehr allein die Läuterung des neuzeitlichen Menschen dahinterstecken, der angesichts der Unwägbarkeiten des globalisierten Alltags einen Rückzieher ins Ländliche, Althergebrachte tätigt. Eine "Offenbarung" bleibt auch auf "Weltenbrand" logischerweise auf. Selbiges Intro ist keine solche, sondern ein knisterndes Geleit mit Akustikgitarre und Flöte. Askan flüsstert rrrrollig und weckt dennoch Hoffnung auf eine ähnlich passionierte Darbietung wie letztens wieder bei DORNENREICH, doch der folgende Titeltrack stellt Anderes in Aussicht: Musikalisch orientiert die Band sich abgesehen von ihren prominenten Keyboards an älterem, nicht allzu zähem Doom-Death, also nicht nach getriggerten Laufwettbewerben, an deren Ende die nächste Met-Buddel als Siegesprämie steht. Dies betrifft vor allem die entspannten Gitarrenleads, wo ansonsten weitgehend wenig Beeindruckendes auf den sechs Saiten passiert. Die Vocals changieren nunmehr zwischen typischem Grollen wie Kreischen. Ohne die übergreifende Thematik hätte man während der Neunziger bei "Einsam" von Bauerngothic gesprochen. Allerdings: Der Gesang - gerade die klaren Bekundungen - steht bombenfest, wo andere Genrevertreter grauenhaft knödeln. "Blinde Wut" geht als programmatischer Hit durch, und kurz fühlt man sich an RUNNING WILD erinnert - ein Trugschluss natürlich. Einmal mehr wirkt der ganze geschichtliche Überbau verkrampft und im musikalischen Kontext unpassend wie bei den meisten Stilvertretern. Was wollen GERNOTSHAGEN sagen, wenn sie in "Thursenhain" ein Kind über Zerstörung klagen lassen? Sicher würden sie sich im Interview darauf berufen, wie ach so aktuell das alles doch sei, was man da im Germanstik-Grundkurs so aufgeschnappt hat.
Am Ende bleibt: Die Band spielt leidlich dynamischen, meist im Midtempo gehaltenen Keyboard-Black-Metal (sinfonisch wagt man ob der einfach gehaltenen Tastensounds nicht zu sagen). Gefallen bereiten die Britendoom-Gedächtnisleads, gerade auch im wirklich dramatischen "Freyas Schoß" sowie während des tatsächlich lohenden Metallers (!) "Schlachtenbruder". Allein der Themenkreis will sich dem neutralen Nichtheiden im Publikum nicht erschließen, aber das liegt wohl in der Natur einer typischen, wiewohl besseren Szenescheibe, die allein Bekehrten predigt.
FAZIT: Das verschwundene Germanenkaff, nach dem die Thüringer sich benannt haben, ist geschichtlich wahrscheinlich so unbedeutend wie GERNOTSHAGEN für die Historie der harten Gitarre an sich. Geht es indes um Pay-Gain-Metal und nichts sonst, haben sie mit abwechslungsreichen Arrangements und gekonntem Handwerk gute Karten, auch nach abgeflautem Boom weiterzubestehen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.04.2011
Steffen
Askan
Diabolus, Daimonicon
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Marcus
Trollzorn / Soulfood
53:15
29.04.2011