Warum müssen gerade etablierte Musiker beziehungsweise in Massen produzierende Songwriter über die Liebe singen? Weshalb fallen professionellen Zuarbeitern und fleischgewordenen Hitfabriken nichts als Formatsongs ein? Sie müssen doch niemandem beweisen, dass sie in nahezu jedem Stilfeld klarkommen … Wobei: Einen Metal-Versuch würde der Rezensent gerne einmal aus der Feder von GILBERT O'SULLIVAN hören - und sich totlachen.
Nein, im Ernst: Der beeindruckend produktive Komponist und Klangvollender muss, wie man immer so schön sagt, niemandem mehr etwas beweisen. Andererseits garantiert ihm dies keine Narrenfreiheit, zumal die Geschmäcker verschieden sind. "All They Wanted To Say" könnte dabei auch auf einem späteren BEATLES-Album stehen, während das Bisschen an glitschiger Country-Mucke ohne Tiefgang in Gestalt von "One Drink Too Many (Too Few)" nur allzu offenkundig auf den anfänglich vorgetragenen Kritikpunkt verweist. In "Where Would We Be (Without Tea)" mimt O'SULLIVAN den wortreichen Crooner, wobei die Lyrics hier durchaus lesenswert sind. Anderswo sorgt der Barde zumindest für einen kurzen Lacher, etwa mit dem Klamauk der "Interlude". Das orchestrale "Missing You Already" bietet Superkitsch von allerfeinsten oder alternativ auch -übelsten. "Here's Why" schunkelt in Gospel Light mit weiblicher Gesangsunterstützung dahin. Bei aller Kritik im Stilmischmasch: geschlossen klingt "Gilbertville" eigentlich schon.
"Private Eye" passt zu einem heiteren Musical in seiner sinfonischen Fülle und chorischen Begleitung, und vielleicht sollte sich O'SULLIVAN auf dieses Metier versteifen, statt mit Balladen wie "Down Down Here" oder "I Wish Something Good" zu langweilen beziehungsweise unglaubwürdig zu rocken ("I Wanna Know"). "Could Have Made It With You" eiert allerdings unterhaltsam forsch durch die Gehörkammern, während "Talking Of Murder" tatsächlich als Räuberpistole funktioniert, wenn auch in harmloser und wiederum kammermusikalischer Form. Das synthetische Bonusding "School Meals" hätte der Experte sich allerdings wahrlich sparen können.
FAZIT: Etwas Anderes als eine Latte ambivalenter bis leidlich spannender Tracks unterschiedlicher Couleur kann man von einem ausgekochten Profi wie GILBERT O'SULLIVAN nicht erwarten. Mehr Mainstream für alte Zeitgenossen geht nicht, wobei es mit dem Tiefsinn nicht weit her ist, Humor mitschwingt und arrangementtechnisch natürlich ein Feuerwerk gezündet wird. Allein das Herz will nicht zerspringen …
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.02.2011
Gilbert O'Sullivan
Hypertension
51:10
04.03.2011