Wir schreiben das Jahr 1982. Der kleine Doktor pilgert in den längst verblichenen Kieler Ball Pompös, um einer seiner damaligen Lieblingsbands namens TYGERS OF PAN TANG zu lauschen. Begleitet wird er von zwei enthusiastischen Brüdern, die den Headliner GILLAN unbedingt sehen und photographieren müssen. Dass der Namensgeber der Band auch mal bei DEEP PURPLE sang, ist mir damals schnurzpiepe, für mich war der DEEP PURPLE-Sänger Coverdale, dass GILLAN an der Gitarre einen gewissen Janick Gers hat, während der Bassist ein recht cool dreinblickender Glatzkopf namens McCoy ist, beeindruckt mich auch nicht besonders, aber irgendwie müssen diese Herren doch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, sonst würde ich mich wohl kaum an das Konzert erinnern.
Man verzeihe mir an dieser Stelle meine jugendliche Ignoranz gegenüber Ian Gillan, einem der fantastischsten Rock-Sänger dieses Planeten, der mit „Gillan's Inn“ 2006 sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feierte. Dass Gillan neben seinen Jahrhundertwerken (jawohl) mit DEEP PURPLE auch BLACK SABBATH aushalf und einen ganzen Arsch voll eigener Hits landen konnte, sollt keinem Musikbegeisterten entgangen sein. Und so wäre es ein Leichtes gewesen, eine schnöde Compilation zusammenzustellen, aber Gillan ist einen Schritt weiter gegangen und hat hier mit zig begnadeten Musikern seine Songs und Hits neu eingespielt. Das funktioniert nicht immer, aber in diesem Fall sind ausnahmslos gute bis hervorragende Interpretationen dabei herausgekommen.
Was dem Fan traditionellem Rocks etwas aufstoßen wird, ist die glasklare Produktion, die sehr modern wirkt, im entscheidenden Moment aber ausreichend Gefühl zulässt und so nie klinisch wirkt. 2005, also im Alter von 61 Jahren, war Gillan noch beachtlich bei Stimme, lediglich auf seine ganz hohen Screams verzichtet er, sein hoher Gesang und seine ganz eigene Intonation sind aber unverändert vorhanden. Nach vierzigjähriger Bühnenpräsenz ist die Auswahl an guten Songs schwierig, Gillan hat hier eine Mischung aus seinen großen Hits wie „Smoke On The Water“ oder „Speedking“ mit kleinen Hits wie „Unchain Your Brain“, „Men Of War“ oder „Thrashed“ gewählt und einige bluesige Hardrock-Songs wie „Bluesy Blue Sea“ oder „Hang Me Out To Dry“ dazugenommen. Alle Songs sind absolut auf den Punkt gespielt und haben verblüffendem Drive, der teilweise sogar das Original übertrifft. Und gerade die Details sind es, die die Neuaufnahmen so hörenswert machen, „Thrashed“ klingt heavier als je zuvor, bei „Smoke On The Water“ sind Gillans Bongos tatsächlich zu hören, und, und, und. Der Teufel steckt im Detail.
Aber Gillan versteht es nicht nur zu rocken, sondern hat auch ruhige Songs, die teilweise sogar in Country-Gefilde abschweifen, im Repertoire. Aboluter Übersong dieser Zusammenstellung ist aber der DEEP-PURPLE-Song „When A Blind Man Cries“, den Triolennöler Blackmore ja nie live spielen wollte und der erst nach dessen Abgang den Weg in das DEEP-PURPLE-Liveset fand. Die hier mit dem ja leider verstorbenen Jeff Healy aufgenommene Version ist dermaßen gefühlvoll, dass sich mir auch nach dem x-ten Durchgang noch die Nackenhaare aufstellen.
FAZIT: Neuauflage der 2006er Neueinspielung von vielen großen und kleinen Hits, an denen Ian Gillan beteiligt war. Auch wenn die aktuelle Veröffentlichung von „Gillan's Inn“ nicht mehr als Dual-Disc gepresst wird, ist sie absolut anschaffenswert, gerade dann, wenn man mit dem Gesamtwerk Gillans nicht vertraut ist. Großer Sänger, große Songs, große Interpretationen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.12.2011
Roger Glover, Robby Takac
Ian Gillan, Ronnie James Dio (R.I.P.)
Joe Satriani, Janick Gers, Uli Jon Roth, Steve Morse, John Rzeznik, Jeff Healey (R.I.P.), Dean Howard, Tony Iommi, Rick McGirr, Joe Elliott, Redd Volkaert
Don Airy, Jon Lord, Ron Davis, Micky Lee Soule
Michael Lee (R.I.P.), Ian Paice, Jerry Augustyniak
Jaro Jarosil (Cello), Charlie Quill (Banjo)
Edel Records
62:27
21.10.2011