Classic Rock galore! Der Trend hält an und tut sich nach den unter leicht anderen Vorzeichen als GINGERPIG agierenden VANDERBUYST (mit denen man auch Bühnen teilt) ein weiteres Mal aus Holland hervor, wo ein alter Bekannter seiner wahrscheinlich wahren Liebe frönt: Boudewijn Bonebakker veranstaltet hier kein GOREFEST, sondern eine Feier auf die seligen Seventies.
Das heißt, man hat Zeit, statt Hits mit heißer Nadel zu stricken. "Indefinite Muddle of Conspiracies" baut sich somit verheißungsvoll auf, ehe es sich zum schwebend treibenden Retrorocker geriert, und dass man damals scheuklappenfreier war und es heute mehr denn je wieder sein sollte, wenngleich ohne den Kopf dabei zu verlieren, beweist "Pipedream" mit mehrstimmigen Vocals beziehungsweise Gospelflair. Im Kontrast rockt "March of the Gingerpig" umso dringlicher los, und zwar rein instrumental. Das zehnminütige "Dimlight Heart" zieht dagegen Parallelen zu ollem Spacerock vom Besten. Angesichts der langen gesangsfreien Parts wird deutlich, dass die Stärke GINGERPIGs keineswegs im Vocalbereich liegt; vielmehr schlüpfte Boudewijn wahrscheinlich aus Verlegenheit in die Rolle des Fronters. "Digging With Bare Hands" wächst sich aber auch unter diesen Einschränkungen zum Feeling-Bluesrocker aus, wobei es sich sowieso um eine Herzensangelegenheit handelt. "Undefined Call" ist als Anspieltipp und abwechslungsreich jammiges Highlight der Scheibe zu verstehen. "Joe Cool (The Fool)" als flötender TULL-Anklang, und der Abschlusstrack als hart und zart maximal auslotendes Gesellenstück.
Die mangelnde Griffigkeit bricht "Ways of the Gingerpig" nicht das Genick, macht es aber wenig unterscheidbar von vergleichbaren Releases in einer Zeit, da zahlreiche junge Musiker das alte Genre zwischen viel Rock und ein wenig Blues neu entdecken, aber ungleich heißblütigere Scheiben raushauen. So kann man dieses Album beinahe schon als beflissenes Alterswerk bezeichnen. Womöglich muss die Band weiter zusammenwachsen um ein kompaktes Statement abzuliefern, oder sie genügt sich in diesem Gestus schlicht selbst. Nach dem Zugzwang, unter dem Bonebakker bei GOREFEST stand, sei es ihm gegönnt. Einem persönlichen Wunsch kommt er indes nicht nach: Die Bleischwere von GOREFESTs "Soul Survivor" lässt er zugunsten seines stringenten Retro-Ansatzes völlig außen vor.
FAZIT: GINGERPIG dürften angesichts ihres recht prominenten Strippenziehers mehr für Furore sorgen als wegen ihres gleichwohl hochwertigen Materials. Bonebakker und Schergen liefern schlicht improvisationsfreudigen, aber stets songorientierten Classic Rock ab, dem anno 2011 Bloß ein Alleinstellungsmerkmal fehlt. Die Auswahl an Ähnlichem ist schlicht zu groß, als dass man ihnen anderen Orgelschwangeren gegenüber den Vortritt geben müsste.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.05.2011
Sytse Roelevink
Boudewijn Bonebakker
Jaro van Es
Maarten Poirters
Suburban Records
44:44
06.05.2011