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Hi-Lo & In Between: We Are Not The Wind

Stil: Licht aus, Kerze an und „We Are Not The Wind“ in den CD-Player!

Cover: Hi-Lo & In Between: We Are Not The Wind

Wer kennt dieses Gefühl nicht?!
Die Tage werden kürzer, kälter und grauer. Und mit dem letzten Blatt vom Kastanienbaum verschwindet auch der letzte bunte Tupfer, den man bis dahin noch durch sein Fenster wahrnahm. Ein wenig – Oder doch schon ganz viel? - Melancholie macht sich breit.
Und während man in seiner warmen Stube traurig mit fröstelndem Blick durch sein Fenster schaut, sucht man nach der richtigen Musik für das, was da außerhalb des Fensters vor sich geht.
Sofort fallen einem die üblichen Verdächtigen für dieses spätherbstliche oder doch schon vorwinterliche Naturtrauerspiel ein: SIGUR RÓS?! TINDERSTICKS?! ALBUM LEAF?! MIDNIGHT CHOIR?! MORPHINE?! MÚM?!
Alles schon gehört, alles auch immer wieder gemocht. Doch gibt es nicht auch eine aktuelle Alternative, die sich geschmeidig in diese Reihe größtenteils skandinavischer Musik einordnet?
Aber natürlich – hier kommt eine weitere Entdeckung aus dem Land der Elche, Finnland, die sich nahtlos in diese melancholische Reihe drängelt: HI-LO & IN BETWEEN!

„We Are Not The Wind“ heißt das bereits dritte Album der Finnen. Und es ist wirklich kein „windiges“ Album, sondern eher ein sehnsuchts- und ruhevolles Scheibchen, das eine scheinbare Harmonie nur so lange zulässt, bis man glaubt, sich darin wohlzufühlen. Dann aber schlägt es überraschend zu und verblüfft einen, wobei besonders die Dominanz des Kontrabasses ihren speziellen Reiz versprüht. Akustik geht vor Elektronik und nur selten taucht neben den Violinen, akustischen Gitarren, Perkussionsinstrumenten, Mandolinen usw. auch mal eine E-Gitarre auf. Selbst der Gesang klingt zerbrechlich, manchmal etwas weinerlich und zu schön für diese Welt, aber immer ohne künstlich aufgesetzte Sperenzchen (Bestes Beispiel: „The Day With Words Full Of Honesty“ - eine Ballade die ausschließlich aus Gänsehaut hervorrufender Stimme, akustischer Gitarre und beinahe bedrohlichem Kontrabass besteht!). Passend zur Musik gibt’s gleich noch eine andere Kunstform „gratis“ mit dazu. Die finnische Malerin LIINA MÄKI-PATOLA gestaltete Digi-Pack und Booklet des Albums. Und wer während des Hörens darin herumblättert, wird schnell bemerken, dass beides – Musik und Malerei – eine recht interessante Einheit bildet.

Und während ich das hier alles schreibe und zum x-ten Mal aus meinen Lautsprechern HI-LO & IN BETWEEN ihre kleinen Musikdramen über mich ergießen, während ich das dazugehörige Booklet in der Hand halte, schleicht sich doch plötzlich die letzte Strophe eines Gedichts bei mir ein, die eigentlich, vorausgesetzt man versteht sie, eine ideale Kritik zu „We Are Not The Wind“ abgegeben hätte.
Hier ist sie – vielen Dank Herr RAINER MARIA RILKE für das Ende von „Herbsttag“!

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Ja, ganz genauso klingt dieses wundervolle, mit 35 Minuten leider viel zu kurz geratene Album!

FAZIT: HI-LO & IN BETWEEN sind eine echte Entdeckung, nicht nur in und für diese Jahreszeit, sondern auch für alle lyrisch angehauchten Zeitgeister. Typisch skandinavische Musik eben, die einen mal etwas unterkühlt, mal etwas verträumt, aber immer absolut atmosphärisch in ihren Bann zieht.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.11.2011

Tracklist

  1. A Clear Silence
  2. Lost In Lies
  3. The Waves
  4. We Are Not The Wind
  5. The Day When The Madness Came
  6. I'm Going To The Valley Of Sorrow & Solitude Part III
  7. The Walls
  8. Virginia's Eyes
  9. The Day With Words Full Of Honesty
  10. Into The Deep Blue Sea

Besetzung

  • Bass

    Ville Rauhala

  • Gesang

    Juha Mäki-Patola

  • Gitarre

    Juha Mäki-Patola

  • Schlagzeug

    Juppu Paavola

  • Sonstiges

    Jussi Suonikko (Violine, Viola, Mandoline & Mandola)

Sonstiges

  • Label

    Beste! Unterhaltung

  • Spieldauer

    35:00

  • Erscheinungsdatum

    28.10.2011

© Musikreviews.de