Warum mag ich eigentlich den Begriff „Space-Rock“ überhaupt nicht?
Vielleicht liegt es daran, dass in mir ein Bild von irgendwelchen Außerirdischen entsteht, die mit ihrem Raumschiff auf unserem Planeten, der Stiefmutter Erde, landen, ihr Instrumente auspacken und drauflosjammen. Das erscheint irgendwie extrem irreal – und Irreales überzeugt mich kaum.
Warum beginne ich langsam den Begriff „Space-Rock“ zu mögen?
Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich die finnische Band HIDRIA SPACEFOLK kennenlernen durfte, die so klingen, als wären sie Außerirdische, die mit ihrem Raumschiff auf Stiefmütterchen Erde gelandet sind, ihre Instrumente ausgepackt haben und wild drauflosjammen.
Bereits beim ersten, dem Album seinen Namen gebenden Titel ist dann auch klar, wer uns diese Außerirdischen gesandt hat, der liebe GOD persönlich – nur statt bei seinem Gastauftritt auf eine Harfe zurückzugreifen, hat dieser clevere Tausendsassa seinen Stinkefinger erhoben und „Denkste!“ gerufen. Also packt er sein Harmonium aus und bearbeitet die Tasten. Dabei lächelt er mitleidig uns dümmlichen Erdlingen zu und denkt: „Komische Typen, bei denen wir hier gelandet sind. Da bringe ich hier schon mal mein AEROPHON aus den himmlischen Gefilden mit – und die Eierköppe denken, dass ich auf meinem Wölkchen tatsächlich auf Harfen-Kling-Klang stehe! Na ja, wer an Wiedergeburt und solchen Krams glaubt, der glaubt wohl auch, dass es im Paradies nur musikalischen Dünnschiss gibt. Irrtum, meine Freunde, wir sind auf unseren Wölkchen bedeutend progressiver als all der volkstümliche, erdverbundene Einheitsbrei, den sich die gottlosen und gottvollen Zeitgenossen so einverleiben.“
Es sind wirklich seltsame Gedanken, die einen beim Hören von „Symetria“ überkommen. Öffnet man dann auch noch das Booklet, entfaltet sich ein abstraktes, etwas beängstigendes Bild, auf das ich hier nicht weiter eingehen will. Allerdings wird beim Betrachten dieser Zeichnung klar, was mich zu den eröffnenden Worten dieser Kritik bewegt hat.
HIDRIA SPACEFOLK haben auf „Symetria“ besonders die Gitarren für sich entdeckt und grenzen sich damit auf beachtliche Weise von einer Band ab, die immer wieder gerne als Vergleich zu ihrer Musik angebracht wird – die OZRIC TENTACLES. Die klingen gegen das, was die finnischen Musikabenteurer auf ihrem Album aus dem Jahr 2007 zu bieten haben, regelrecht synthetisch, fast etwas zahm und künstlich. Gerade deswegen mag oder mochte ich den Space-Rock wohl nie so richtig. HIDRIA SPACEFOLK aber belehren mich eines Besseren. Vielleicht weil das handgemachter (aber nicht „keyboardgemachter“) Rock ist, der zwar einerseits aus dem All zu kommen scheint, aber andererseits extrem bodenständig klingt.
Post-Rock trifft auf Space-Rock trifft auf Progressive-Rock und entflammt einen bunten, instrumentalen, psychedelischen Musik-Reigen, der mal härtere, treibende und schnellere, aber auch mal verträumte, akustische und besinnliche Runden dreht. Während es auf den Alben „Symbiosis“ und „Balansia“ noch sehr oft blubberte und waberte, geht es auf „Symetria“ geradliniger, weniger versponnen, manchmal etwas einseitig, aber trotzdem spannend zur Sache.
Vielleicht sind die fünf Herren aus dem hohen Norden ja wirklich die Abgesandten von einem aus noch höheren Gefilden kommenden GOD, die mit ihrem nunmehr vierten Album den Auftrag verfolgen, allen Damen und Herren, die glauben, dass Musik so klingen muss wie in der Kirche, die Botschaft zu überbringen, dass man damit höchstens zu Kreuze kriechen, aber nicht in himmlische Höhen steigen kann. Hier treffen endlich auch mal E-Gitarren auf Kirchenorgeln – und das ist verdammt gut so. ErbArMEN!
FAZIT: Wer glaubte, dass die Schublade Space-Rock von solchen Bands wie GONG, HAWKWIND oder den OZRIC TENTACLES gezimmert wurde, der hat bisher wohl immer übersehen, dass ein kleines, aus finnischem Holz zusammengenageltes und verdammt inhaltsreiches Geheimfach darin verborgen ist, welches HIDRIA SPACEFOLK heißt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.04.2011
Kimmo Dammert
Sami Wirkkala, Mikko Happo
Janne Lounatvuori
Teemu Kilponen
Mikko Happo (Didgeridoo), Sami Wirkkala (Jawharfe, Midi-Gitarre & Synthesizer), Olli Rautiainen (Trompete & Akkordeon auf Titel 3 & 4), Heikki Tuhkanen (Trombone auf Titel 3 & 6), G.O.D. (Harmonium auf Titel 1), Annea (Cello auf Titel 6)
Nordic Notes / Next Big Thing
47:47
28.04.2007