HOLY TERROR teilen sich mit MORBID SAINT den Titel „Beste 80er Metalband, von der kein Schwein je gehört hat“. Es dürfte klar sein, dass das eine zweifelhafte Auszeichnung ist, denn sie impliziert bereits, dass diesen Truppen nicht eben Erfolg beschieden war. In beiden Fällen ist das völlig unverständlich, eröffnet aber die Möglichkeit, echte Kleinode vergangener Zeiten zu entdecken.
Schon die Besetzung sorgt beim untergrundaffinen Fan für einen ersten Zungenschnalzer, war Gitarrist Kurt Kilfelt doch an AGENT STEELs Klassiker „Skeptics Apocalypse“ beteiligt. Die Klasse dieses Albums halten beide HOLY TERROR-Scheiben, wobei „Mind Wars“ die etwas ausgereiftere darstellt. Auch hier gibt es Speed Metal der allerersten Güte, wie man ihn heute nicht mehr zu hören bekommt. Das Ganze unterscheidet sich allerdings im Detail sehr von der durchschnittlichen 80er-Kapelle.
Das wahrhaft halsbrecherische Tempo, in dem die Jungs durch ihre Songs knattern, dürfte allen anderen Speed Metal Bands mindestens eine Nasenlänge voraus sein, und obwohl nicht alles in spielerischer Perfektion daher kommt, hat die Band doch ihren ganz eigenen Drive und driftet nur soweit gen Chaos, wie sie es selber möchte. Hier ist es vor allem Sänger Keith Deen, der der Chose seinen Stempel aufdrückt. Seine in einem Affenzahn rausgerotzten, gesellschaftskritischen und pissig antireligiösen Statements lassen geschwindigkeitsmäßig tatsächlich sogar Tom Araya zu besten Zeiten recht weit hinter sich, und wenn der gute Keith sich scheinbar überschlägt, dann wirkt das eben nicht chaotisch, sondern förmlich funkensprühend. Pure Energie ist jedoch nicht das einzige Pfund, mit dem er wuchert, kann er doch seine Stimme stufenlos von clean gesungenen, äußerst ungewöhnlichen, aber extrem ohrwurmgefährlichen Melodien über angecrunchte Passagen bis zum derben Shout modulieren. Die gesamte Show zieht er zum Beispiel im überragenden „No Resurrection“ ab, nach dessen Genuss man gern mal versuchen soll, den Adrenalinspiegel wieder runter und diese Melodien aus dem Kopf zu kriegen. Schon der Gesang bietet also einen sehr hohen Wiedererkennungswert, doch die Instrumentalfraktion muss sich nicht hinter ihrem Sänger verstecken.
Auch die Gitarristen scheinen allen zeigen zu wollen, dass sie die allerschnellsten unter der Sonne sind, wobei ihnen das Rhythmusspiel nicht ausreicht, auch im Leadbereich möchten sie es uns unbedingt so richtig besorgen. Und das tun sie. Die Soli gehören zum geilsten Metal-Shredding, das man bekommen kann und treiben einem unterm Kopfhörer die Freudentränen in die Augen. Das vielschichtige Rhythmusspiel vergisst neben ruppigen Thrashattacken auch eine feine, der NWOBHM entliehene Melodik nicht. Immer dann, wenn es instrumental etwas melodischer wird, nimmt man auch mal das Tempo ein wenig zurück, damit die Stücke unterscheidbar und die Platte als Ganzes spannend bleiben.
Dass weder „Mind Wars“ noch der Vorgänger „Terror And Submission“ nach heutigen Standards fett produziert sind, sollte klar sein und wird vom Rezensenten als weiteres, klares Plus veranschlagt.
Summa summarum ergibt die eigenwillige Mixtur aus MEGADETH und SLAYER (der Thrash-Anteil), SATAN beziehungsweise PARIAH (die Gitarrenharmonien), CONFLICT (Textlänge und Botschaft) und eben dem charismatischen Gesang Keith Deens zutiefst eigenständige Musik, die damals wie heute ein breites Publikum verdienen würde.
Beide Scheiben gibt es im Set mit remastertem Sound, der ein bisschen transparenter klingt als das Original, den warmen Analogcharakter aber erhält und damit empfehlenswert ist.
FAZIT: Vocalsalven mit Message, Riffs, Soli, Drumgeschmetter und immer wieder Speed, Speed, Speed. Ergibt Rausch und Ekstase. Eine göttliche Scheibe. Verzeihung, eine Menschliche. Und ein Full-House-Klassiker.
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.05.2011
Floyd Flanary
Keith Deen
Kurt Kilfelt, Mike Alvord
Joe Mitchell
Under One Flag
39:39
18.05.1988