Die Australier ILIUM veröffentlichen mit "Genetic Memory" bereits ihr fünftes Album, und obwohl es sich dabei immer um professionell produzierte, mitreißend vorgetragene Musik mit starkem Gesang handelte, konnte man bisher nicht so wirklich für Aufsehen sorgen. Früher stand die Band immer etwas im Schatten ihrer Landsmänner von DUNGEON, nicht zuletzt, weil es da einige personelle Überschneidungen gab (vor allem natürlich in der Person von Sänger Lord Tim). Seit dem letzten Werk "Ageless Decay" hat man mit dem ehemaligen RIOT-Frontmann Mike DiMeo sogar eine noch prominentere Figur am Mikro. Ob nun das eine das andere bedingt hat oder umgekehrt, jedenfalls sind ILIUM im Jahre 2011 gar nicht so weit von RIOT entfernt: US-Metal mit einem gewissen Hard-Rock-Einschlag, vielen zweistimmigen Leads und Einflüssen aus dem Melodic Power Metal. Das sollte eigentlich gesanglich perfekt passen, doch dann der Schock beim Opener "Kinaesthesia": Dieser Schreihals soll der sonst für seinen warmen, bluesigen Gesang bekannte Mike DiMeo sein? Zwar relativiert sich das zum Glück im weiteren Verlauf des Albums, insgesamt singt er jedoch deutlich aggressiver, als man es von ihm gewohnt ist. Fast scheint es, als wolle er noch einmal nachträglich deutlich machen, dass er bei MASTERPLAN doch der richtige Ersatz für Jorn Lande war... Seltsam, denn eigentlich hatten ILIUM immer ausgesprochen melodische Sänger.
Der Knackpunkt ist aber weniger die Vocalperformance (auch wenn es an einigen Stellen störend angestrengt und kratzig klingt), sondern die Art der Melodieführung und des Songwritings. Viele Tracks wirken, als hätte man ordentliche Strophen und Bridges aneinander gehängt, den eigentlichen Refrain jedoch vergessen. Nur selten ragen Parts wirklich heraus, stattdessen rauscht alles recht gleichförmig am Hörer vorbei. Beste Beispiele sind Nummern wie "Grey Stains The Rainbow", "Hostile Sky", "Neanderthal Within" oder der Titeltrack (der ansonsten mit IRON-MAIDEN-Reminiszenzen begeistern kann): Da gibt es schon Steigerungen im Songverlauf, der Hörer wird mit den entsprechenden Akkorden und Gesangsmelodien eindeutig auf die Auflösung heiß gemacht und erwartet den Refrain, doch dann wird wieder "umgelenkt" in ein Gitarrenlead, ein instrumentales Thema oder einen unspektakulären Vocalpart. Den traurigen "Höhepunkt" stellt der überlange Abschlusstrack dar, denn dieser ist eigentlich nur eines: zu lang. Wie man aus so wenig zündenden Ideen einen 11-Minüter basteln kann, erscheint völlig schleierhaft...
Anderen Bands wirft man oft vor, einfallslos die Titel ihrer Songs mehrmals hintereinander zu wiederholen, anstatt richtige Refrains zu komponieren. ILIUM kann man dagegen nur empfehlen, diese Methode noch öfter auszuprobieren (wie im hymnischen "Littoria"), damit überhaupt einmal etwas beim Hörer hängen bleibt. Denn offensichtlich fällt es der Band ausgesprochen schwer, für Eingängigkeit zu sorgen. Was wirklich schade ist, denn musikalisch haben ILIUM einiges zu bieten. Man spürt, dass hier wirklich Überzeugungstäter am Werk sind, die Riffs und Leads werden mitreißend vorgetragen, und die Produktion kann bis auf die etwas sterilen und gleichförmigen Drums überzeugen. Dass die Band aus diesen Zutaten auch wirklich packende Songs erschaffen kann, beweisen Ausnahmen wie das treibende "Ephemeral" oder das dramatische "Ghosts In Flesh".
FAZIT: ILIUM haben sich einer melodischen, prinzipiell eigentlich eingängigen Spielart des Power Metal verschrieben, schaffen es aber nur selten, die dafür so essentiellen, packenden Melodien zu kreieren oder ihre Songs entsprechend auf den Punkt zu bringen. Wer jedoch nicht so viel Wert auf durchschlagende Refrains legt und es gerne auch etwas sperriger mag, sollte ein Ohr riskieren. Denn musikalisch und spielerisch haben die Australier einiges zu bieten, vor allem die melodische, oft mehrstimmige Gitarrenarbeit kann überzeugen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.09.2011
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Escape Music
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26.08.2011