Songwriting-Ikone JOE JACKSON setzt für sein aktuelles Live-Album auf relativ vorhersehbare Favoriten der Fans, und auch ob der Besetzung - Maby und Houghton waren bereits am Debütalbum von 1979 beteiligt - darf Nostalgiestimmung aufkommen. Nichtsdestoweniger tönt "Live Music" nicht nach einer Altherrenveranstaltung; so etwas nennt man künstlerische Würde, und die Voraussetzung dafür sind musikalische Bandbreite einer- sowie zeitloses Ausgangsmaterial andererseits.
Zudem wäre JACKSON nicht er selbst, wenn er sich nicht die Möglichkeit der Umarbeitung zunutze machen würde, so geschehen gleich mit "Another World", dessen tänzerisches Arrangement für den Konzertbetrieb auf erdig getrimmt wurde. Seine beiden alten Begleiter erweisen sich im weiteren Verlauf als souveräne Zuarbeiter mit einer breiten Palette an Klangfarben, Maby mit warmen, flächigen Bässen im zarten "Still Alive" beziehungsweise funkig während "Sunday Papers", und Houghton begeistert durchgängig mit allerlei Geraschel und Geklopfe. "Cancer" versprüht Bossa-Nova-Manierismen, und selbst für ein weniger offensichtliches BEATLES-Cover ist der Meister sich nicht zu fein ("Girl"). Ian Dury zollt er mit dem Arschwackler "Inbetweenies" Tribut, und "Scary Monsters" kommt natürlich vom bleichgesichtigen Kollegen David Bowie, dessen Chamäleon-Tendenzen JACKSON ebenfalls zu nicht unerheblichem Teil an den Tag legt. Selbstverständlich drückt er den jeweiligen Künstlern respektvoll den eigenen Stempel auf und vergisst das in härteren Kreisen durch ANTHRAX bekannt gewordene "Got The Time" nicht, wobei die Band (seine, nicht die New Yorker) aus allen Rohren feuert. Wie kann der Mann bei diesem Schmiss ruhig an seinem Piano sitzen?
"Steppin' Out" gemahnt dann an die ganz alten Tage, und "A Slow Song" schunkelt versöhnlich, obwohl zuvor doch überhaupt nichts im Argen lag. "Live Music" bietet eben genau dies - eine eingespielte Dreierbesetzung vor dankbarem Publikum (an mehreren Standorten eingefangen, dennoch nicht bruchstückhaft wirkend). Das Trio steht für seine Musik ein und macht selbiges hörbar mittels überdurchschnittlicher Spielfreude. So sollte es eigentlich immer sein, doch derlei Selbstverständlichkeiten sind heuer leider nicht immer Gang und Gebe. Somit bietet JOE JACKSON einerseits das Erwartete, andererseits aber einen herzlichen Mehrwert, und das nicht nur für vertraute Fans.
FAZIT: "Live Music" funktioniert als kompakte Nabelschau einer beeindruckenden musikalischen Persönlichkeit, die nie durch Skandale "glänzen" musste, sondern ihre Kunst sprechen ließ und dies weiter tut, ohne dass der Zahn der Zeit ihr etwas anhaben könnte. Neueinsteiger bekommen auf einen Schlag tolle Versionen der Schlüsselstücke; Fans verkürzen sich die Wartezeit auf das Ellington-Tribut von JOE JACKSON.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 25.06.2011
Graham Maby
Joe Jackson, Graham Maby
Joe Jackson
Dave Houghton
Ear / Edel
59:03
03.06.2011