Vergesst den Vergleich mit dem großen Antisänger Dylan: JOEL ALME überragt den ollen Bob schon allein deshalb, weil alles auf "Waiting For the Bells" nach Sturm und Drang klingt. Statt der Glocken erwartet der Rezensent nichts und bekommt Himmelstrompeten - geblasen von pausbäckigen Engeln, die es zudem Rosenblüten regnen lassen.
Kitsch? Aber Hallo … doch selbst wem Altersschwache wie Brian Wilson nicht gefallen, der sollte JOE ALME einmal sein Ohr leihen und sich positiv überraschen lassen, wie ihn dessen Mischung aus Sänger-Songwriterkram und bittersüßem akustischem Zierrat emotional berührt. Die Betonung und der Grund dafür liegen auf eben jenem "bitter", denn so sehr der Barde sich die heile Welt, die ewige Liebe und den Gutmenschen in jeder Textzeile wünscht, so unerfüllt bleibt dieser Traum. Zieht im Titelstück ein wenig Jahrmarktsatmosphäre auf, hat dies wahrscheinlich nicht im von den Sixities beflügelten Drogenrausch seinen Ursprung, sondern im Wunsch, wieder ein naives Kind zu sein, da die Gegenwart "No Luck To Give" hat.
Zugegebenermaßen kann man sich je nach Gemütslage an diesem Album überfressen; Bauchgrimmen ist angesagt, so man sich - nunmehr der Twens entschwunden - des eigenen zu-spät-Seins und all der verlorenen Chancen seines Lebens bewusst wird. Dass es einem jedoch nicht allein so geht, siehe JOEL ALME, spendet wiederum Zuversicht … und wer benötigt die nicht in Zeiten sozialer Kälte? Ernsthaft: Ein wunderschönes Album!
FAZIT: Falls es aufrichtigen Pomp in der Musik gibt, dann steht spätestens jetzt der Name JOEL ALME synonym dafür: "Waiting For the Bells" spricht von abgefahrenen Zügen, vor welche man sich zu werfen weigert, um stattdessen trotzig einherzurennen, bis die Beine beziehungsweise das Herz versagen - Schönster Liedermacherkram, eingebettet in üppige Arrangements und vorgetragen mit einer Stimme, die das Eis auf dem Spiegel zum Schmelzen bringt, den man der Gesellschaft zu lange entgegengehalten hat. Lasst andere ihre weltlichen Ziele verfolgen; wir igeln uns ganz kindisch mit diesem Künstler in nostaglischem Flor ein …
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.01.2011
Joel Alme
Razzia / Soulfood
32:17
14.01.2011