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Reviews

Leap Day: Skylge’s Lair

Stil: Neo-Prog zum Abgewöhnen

Cover: Leap Day: Skylge’s Lair

Die Holländer um LEAP DAY müssen wohl ein ungeheueres Faible für „Myst“ haben, ein Computerspiel, das bei Adventure-Freunden seit Jahren absoluten Kultstatus genießt. Oder haben die Jungs da irgendwas durcheinander gebracht? „Skylge’s Lair“ sieht zumindest gestalterisch genauso aus wie besagtes Computerspiel – kitschig und künstlich. Das ist vielleicht toll, wenn es wirklich um ein Computerspiel geht. Nur wenn die Begriffe kitschig und künstlich auch auf Musik zutreffen, dann denkt ein erfahrener, für fast alles offene Musik-Hörer sofort an eine gewisse Art des Neo-Progs, die mit kitschigem Keyboardbombast, wenig akzentuiertem Gesang und schwacher Produktionstechnik spannenden Prog-Rock mit einer Blümchen-Tapete zukleistert. Und spätestens nach dem ersten Hören von „Skylge’s Lair“ wird dieser Eindruck auch durch die holländischen Tapeziermeister LEAP DAY bestätigt.

Mein hoch geschätzter Kritikerkollege Jochen König hatte bereits das Vergnügen, „Awaking The Muse“, das albtraumhafte Debüt-Album der holländischen Neoprogger, besprechen zu dürfen. Er rettete sich dabei mit viel Ironie und dem Angebot, ihm als Voodoo-Puppe doch bitte die Ohren abzureißen, darüber hinweg, nicht klar und schnörkellos feststellen zu müssen: „’Waking The Muse’ ist ein Scheiß-Album!“ Und ganz unironisch möchte ich hier ebenfalls in Voodoo-Puppen-Manier feststellen: „’Skylge’s Lair’ ist ein würdiger Nachfolger!“ Ob es nun das Cover, die Musik oder die Texte betrifft, LEAP DAY setzen den eingeschlagenen Weg fort, statt sich der Vergangenheit ihrer Musiker zu besinnen, in der sie als Mitglieder von KING EIDER, FLAMBOROUGH HEAD oder NICE BEAVER zwar keine weltbewegende, aber um Längen bessere Musik zustande gebracht haben.

Schon die Produktion von „Skylge’s Lair“ ist gänzlich unausgewogen, etwas dumpf und mit einem viel zu stark in den Vordergrund gemischten Gesang versehen. Hätte man den doch wenigstens in den Hintergrund verdammt, aber nein, ihn auch noch hervorzuheben, ist ein fataler Fehler. Das liegt hauptsächlich daran, dass JOS HARTEVELD so klingt, als würde ihn eine dauerhafte Heiserkeit quälen, die besonders bei den hohen Tönen seine Stimme regelrecht „abkacken“ lässt. Dazu kommt noch ein etwas nasaler Grundton und so ein seltsames Gefühl beim Hören, das einen beschleicht und darüber nachgrübeln lässt, ob man nun die Kartoffel in den Ohren oder JOS HARTEVELD sie beim Singen im Mund hat.

Wer nun glaubt, dass LEAP DAY guten Neo-Prog, vielleicht im Sinne von MARILLION, IQ oder CAMEL, fabrizieren, der irrt sich gewaltig. Die todlangweiligen und schwächsten Werke von PENDRAGON wären vielleicht ein guter Vergleich. Von Anfang bis zum Ende bewegt sich die Musik auf einem melodiös gleich bleibenden Niveau, das gut dazu geeignet ist, den ersten Preis beim musikalischen Wettbewerb der Bettentester im Einschlafparadies zu gewinnen. Und wenn bei „Walls“ mal ganz kurz am Anfang losgerockt wird, dann ist auch das nur ein „Ausrutscher“, der kurze Zeit später nur noch aus einer gehörigen Portion Schmalz besteht. Da passt selbstverständlich das kitschige, fast peinliche, offensichtlich bei „Myst“ geklaute, Cover ideal dazu. Und über die einfallslosen Texte weitere Worte zu verlieren, macht bei den inhaltlichen Botschaften, die sich beispielsweise mit dem entspannten Liegen unter einem Weidenbaum auseinandersetzen, kaum Sinn.

Schwülstige Keyboardflächen sind ein Markenzeichen von LEAP DAY.
Absolut gewöhnungsbedürftiger Gesang ist das zweite Markenzeichen.
Das dritte der fast komplett in den Hintergrund gerückte Einsatz von Bass und Schlagzeug.
Nur das vierte Markenzeichen verdient wirkliche Beachtung: die beeindruckenden elektrischen (ein bisschen ANDY LATIMER) und akustischen (ein bisschen STEVE HACKETT) Gitarreneinlagen von EDDIE MULDER, dem unbedingt empfohlen werden muss, sich schleunigst eine bessere Begleitband für sein Können zu suchen.

Ein wirklich „passender“ Abschluss für „Skylge’s Lair“ ist dann der „Hidden Track“, der wohl lustig sein soll und zu dem sich leider gerade der hier positiv erwähnte EDDIE MULDER als Hauptdarsteller hinreißen lässt. Lustig klingt anders – mehr will ich dazu beim besten Willen nicht schreiben!

FAZIT: Holländischer Neo-Prog zum Abgewöhnen! Einziger Höhepunkt des Albums sind die ersten zwei Minuten des Instrumentaltitels, der dem Album seinen Namen gibt und ein offensichtlicher Ideenklau bei CAMEL ist. Auf dem Promo-Begleitzettel zur CD ist tatsächlich von einem „Meisterwerk“ die Rede – das ist nicht nur eine schamlose Übertreibung, sondern eine bewusste Irreführung von Menschen, die noch immer daran glauben, dass das, was nach ihrem Toilettenbesuch in der Schüssel landet, nicht die meisterhafte Nachbildung des Schiefen Turms von Pisa, sondern einfach nur Scheiße ist!

Punkte: 4/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.04.2011

Tracklist

  1. The Messenger
  2. Road To Yourself
  3. Home At Last
  4. Humble Origin
  5. Walls
  6. The Willow Tree
  7. Skylge’s Lair
  8. Time Passing By

Besetzung

  • Bass

    Peter Stel

  • Gesang

    Jos Harteveld

  • Gitarre

    Eddie Mulder, Jos Harteveld

  • Keys

    Derk Evert Waalkens, Gert Van Engelenburg

  • Schlagzeug

    Koen Roozen

Sonstiges

  • Label

    OSKAR / Just For Kicks

  • Spieldauer

    56:00

  • Erscheinungsdatum

    25.03.2011

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