Schwere Geschütze fahren LEAVES' EYES mit ihrem vierten Album "Meredead" auf - allerdings nicht in schwermetallischer Hinsicht (dafür stehen nämlich die Gitarren zu weit im Hintergrund), sondern in Sachen Bombast. Dramatische Gesänge vom Chor al dente, Victor Smolskis Lingua Mortis Orchester, allerlei Folk- und Mittelalter-Instrumentarium und Gastbeiträge von John Kelly und seiner Frau Maite Itoiz (ja, die sind von der Kelly Family), Liv Kristines Schwester Carmen Elise Espenæs und der ebenfalls aus Norwegen stammenden Sängerin Anette Guldbransen - so soll der Sturm auf den Genrethron angegangen werden.
Die Kategorisierung Gothic Metal ist für "Meredead" eigentlich zu einschränkend - Female-Fronted Symphonic Gothic Folk Metal trifft es da eigentlich besser. Cineastischer Bombast à la Nightwish trifft auf die leicht kitschige Dramatik von Krypteria und vermischt sich mit irischen und nordischen Folkelementen, die sich auch in Soundtracks zu entsprechenden Filmen gut machen würden. Liv Kristines glockenhelle Stimme thront darüber, zahlreiche wirklich gelungene Melodien laden zum elegischen Schwelgen und Schunkeln ein - nur zum Headbangen wird man nicht animiert. Es wundert schon ein wenig, dass Produzent Alex Krull die Gitarren im Gesamtsound recht weit hinten platziert hat, lediglich in den Leadpassagen drängen sie in den Vordergrund. Überaus präsent sind dagegen die Drums.
Die knapp einstündige Reise beginnt mit den einleitenden Chören von "Spirit's Masquerade", ein Dudelsack verlangt ebenfalls nach Aufmerksamkeit. Zwischen Uptempo und hymnischem Bombast pendelnd, ist der Sechseinhalbminüter ein mächtiger Opener, der die Marschrichtung für das Album vorgibt. Eingänger wird es dann mit "Étaín" mit schöner Geige und besonders dem potenziellen Hit "Velvet Heart" mit plingendem Xylophon und gutem Refrain. Nordisch-folklorisch erklingt "Kråkevisa", eine schöne Nummer mit hübscher Akustikgitarre - Begriffe wie "schön" und "hübsch" sind übrigens über weite Strecken die passendsten Attribute für "Meredead". Das Cover von Mike Oldfields "To France" passt natürlich perfekt zu einer Band wie LEAVES' EYES, die Version von Blind Guardian hat aber mehr Biss. Nach dem getragenen Titeltrack folgt mit "Sigrlinn" ein abwechslunsgreicher Longtrack, bei dem Alex Krull seinen obligatorischen Growl-Einsatz hat. Zu diesem Song passt der Begriff Metal übrigens noch am ehesten. Eine kurze Verschnaufpause gibt es mit dem anheimelnd gesungenen "Mine Tåror er ei Grimme", "Empty Horizon" erweitert die Attributs-Palette um den Begriff "Melancholie". Das Zwischenspiel "Veritas" leitet über zu "Nystev", hier geht es ins rockende Mittelalter, bevor das abschließende "Tell-Tale Eyes" nach Irland entführt.
FAZIT: Wie gesagt: schön. Und in dem Sinne mehrheitsfähig, als dass Metaller mit Faible für Blockbuster-Bombast und Goten, die eh eine Affinität zur Ästhetik des Genres in optischer und akustischer Hinsicht haben, hier bestens bedient werden. Angesichts der überbordenden Opulenz fragt man sich nur ernsthaft, wie LEAVES' EYES die Songs live umsetzen wollen, ohne sich durch den massiven Einsatz von Musik aus der Konserve einzuschränken. Dürfte schwierig werden.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.05.2011
Thorsten Bauer
Liv Kristine, Alexander Krull
Thorsten Bauer, Sander van der Meer
Roland Navratil
Napalm Records / Edel
54:42
22.04.2011