Herr Grau kommt aus dem weißen Eis Skandinaviens und spielt schwarze Musik. Wer zwischen diesen Nichtfarben allzu viele Nuancen ausmachen will, sieht sich bald enttäuscht; dafür tönt "Grey Matter" letztlich zu einseitig, wenngleich auf ansprechendem Niveau und anhaltend kurzweilig.
Mit "Everything That Kills" erweist sich Mr. Grey gleich als Ian-Astbury-Klon. Die Hooklines könnte sich auch ein junger Herr Danzig ausgedacht haben, während die Komposition als ganze deutlich macht, dass der Protagonist noch nicht ausgelernt hat. Der Norweger reitet leidlich überzeugend auf wenigen Ideen herum, wo andere mit Minimalaufwand große Klasse erwirken. "I Never Smile" bietet abgesehen vom lesenswerten Text nöligen Gesang und typisch vom Bass angetriebene Strophen. Das leicht rauchige Organ des Alleinmusikers gefällt prinzipiell, die Plastikdrums dagegen überhaupt nicht, gerade weil sie dem geschmackvoll wavigen Gitarrenspiel zuwiderlaufen.
Mit "In Black" legt Mr. Grey etwas synthetischen Bombast in die Wagschale, was LIQUID GREY zu mehr Schwere verhilft. "Low" steht dem als minimalistischer Widerpart gegenüber, und "Part Of Everything" trägt sich nahezu allein durch den Gesang, womit sich der Barde als Charakterkopf erweist. Auch "Fire" hört man die Erfahrung des Musikers an; man darf ihn also eingedenk des anfangs Gesagten irgendwo beim Gipfelsturm verorten, was seinen kompositorischen Schmiss angeht, indes eben noch nicht auf dem Höhepunkt. In "You" äußert sich dies fast romantisch, bei "Darkened Skies" post-punkig beziehungsweise -apokalyptisch, indes weniger verzweifelt als lakonisch - stiltreu eben.
Das dynamische und klassisch rockende "Lines" dient eingedenk seines spannenden Aufbaus als Anspieler, ebenso das stimmungstechnisch ungefähr gleich achtelnde "From Dusk To Dawn". Abgesehen vom austauschbaren "No Time" überrascht Mr. Grey zum Schluss noch mit dem lichten Keyboard-Gesangs-Alleingang "The Lost Son", der ein stringent überraschungsarmes Album auf angenehm psychedelischer Note abschließt.
FAZIT: "Grey Matter" geht jedwede Dringlichkeit ab, derweil liedschreiberisch das Niveau gediegener Hausmannskost nicht unterschritten wird. LIQUID GREY predigen damit allein den Bekehrten, punkten allerdings mit hörenswertem Gitarrenspiel und zumindest hier und dort berührendem Gothic-Rock im Sinne der späten Achtziger. Hört man über den Drumcomputer hinweg, hat man als Stilfreund viel Freude mit der Scheibe.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.10.2011
Mr. Grey
Echozone / Sony
58:45
14.10.2011