MACHINE-HEAD-Alben der ersten Stunde stellten den Hörer nur vor eine Wahl: Ein Schlag in die Fresse oder lieber einen Fausthieb in die Magengrube? Die Amis um Frontmann Rob Flynn schafften es anschließend immer wieder, ihren Sound zu variieren, um auf ihrem letzten Meisterwerk, "The Blackening", den scheinbaren Höhepunkt erreicht zu haben: Dort gab es wie gehabt Schläge in den Magen und ins Gesicht, aber dazu noch so unendlich viel mehr: Versteckspiele, Denksportaufgaben, Finten, Tricks, dunkle Sackgassen, in denen der Hörer urplötzlich einen Knüppel über den Kopf gezogen bekommt.
In vielerlei Hinsicht lotete "The Blackening" Extreme aus, und zwar so weit, dass eine Weiterführung in diese progressive Richtung kaum noch möglich erschien. Und so taten Flynn & Co. auf "Unto The Locust" das einzige Richtige - sie wählten ein anderes Extrem. Die sieben Stücke auf Album Nummer sieben bringen es zwar immer noch auf Längen bis achteinhalb Minuten, aber sie wirken dennoch entschlackter, kompakter, direkter und - melodischer. Und letzteres ist für eine Band wie MACHINE HEAD durchaus ein Extrem.
Insbesondere Rob Flynn traut sich eine ganze Menge, bietet so viel Klargesang wie nie zuvor. Auch die Gitarrenarbeit, für die der Mainmann mit Phil Demmel verantwortlich zeichnet, zeigt Mut zur Melodie, die Akustikpassagen erinnern ein ums andere Mal an METALLICA der 80er Jahre. Und die überwiegende Mehrheit der sieben Songs entwickelt sich durch seine eingängigen Refrains zu wahren Hits.
Sehe ich da jetzt Sorgenfalten auf den engen Stirnen der Hardcore-Fans? Vollkommen zu Unrecht. MACHINE HEAD geben immer noch Vollgas, liefern immer noch genügend knüppelharte Parts mit fetten Riffs und heftigen Double-Bass-Attacken ab. Aber sie tun das mit mehr Bedacht, fokussierter, intelligenter als auf früheren Alben. Sie kombinieren die musikalische Überlegenheit von "The Blackening" mit der der rohen Urgewalt von "Burn My Eyes", verzichten auf technischen Ballast und demonstrieren durch immer wieder geschickt eingewobene melodische Abschnitte ein riesiges Selbstbewusstsein. Nicht umsonst startet "Unto The Locust" mit sakralem Gesang und endet mit Streichern und Kinderchor. Es gibt Bands, die sind schon mit deutlich kleineren Ambitionen glorreich gescheitert.
Highlights auf "Unto The Locust" zu nennen, gestaltet sich als schwierig: Alle sieben Songs stehen auf nahezu dem gleich hohen Niveau. Ist es das furiose "I Am Hell" zu Beginn? Ist es das rabiate "This Is The End", das mit einem Monster-Refrain aufwartet? Ist es der melodische Quasi-Titeltrack "Locust"? Ist es das unter die Haut gehende Liebesbekenntnis zur Musik namens "The Darkness Within"? Oder ist es der monumentale Abschluss "Who We Are", der besagte Streicher und (leicht schiefen, aber authentischen) Kinderchor beinhaltet und vielleicht der größte Hit auf dem Album ist? Schwierig. Da die Scheibe aber auf "nur" knapp 49 Minuten Spielzeit kommt, stellt das ein nur kleines Problem dar: Einfach auf Repeat drücken - und beim nächsten Durchgang einen anderen Lieblingssong entdecken.
FAZIT: MACHINE HEAD haben der Versuchung widerstanden, das erfolgreiche "The Blackening" zu kopieren. "Unto The Locust" ist anders als der Vorgänger, aber nichtsdestrotrotz ein extremes Thrash-Metal-Album, das das Zeug zum Klassiker hat.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.09.2011
Adam Duce
Robb Flynn
Phil Demmel, Robb Flynn
Dave McClain
Roadrunner
48:56
23.09.2011