Die beiden EISREGEN-Musiker M. Roth und Yantit machen sich mit PANZERKREUTZ-/HÄMATOM-Basser West und Allen B. Konstanz (THE VISION BLEAK) auf zu einem neuen Projekt, das inhaltlich äußerst packend anmutet. Hier zitiere ich gerne zwei Abschnitte aus der Bandinfo:
<i>“Anfang der 60er-Jahre wurde im ehemaligen Sudetendeutschland, heutigen Tschechien, ein Tal geflutet und ein Stausee entstand dort, wo die kleine Stadt Marienbad einst lag. Ihre Bewohner wurden zwangsumgesiedelt - bis auf jene Zwölf, die nicht gehen wollten und den Freitod einer ungewissen Zukunft vorzogen…“</i>
<i>“Wenn Du das Ticket nach Marienbad löst und die Reise wagst, wirst Du erfahren, was mit Roslin geschah und mit jenen sieben Kindern, die bei der großen Sonnenfinsternis unten am Teich spielten... Du wirst die gelbe Villa der Selbstmörder betreten, in der Flammnacht die Welt mit anderen Augen sehen und am Bahnhof sein, als Ende 1944 ein Gefangenenzug dort die Nacht verbrachte... und Du wirst das Wasser am eigenen Leibe spüren und die Gänsehaut wird Dein ständiger Begleiter sein, auch heute noch, so viele Jahre danach, knapp unter Dammkrone... Sei bereit für diesen Weg – der Dich tiefer zu uns trägt...“</i>
Bei einer solch speziellen Thematik fragt sich der Neugierige nun allerdings auch: Kann das Quartett auch musikalisch Interessantes bieten? Durchaus, wenngleich das Gehörte nicht ganz so speziell und spektakulär ist wie seine lyrischen Inhalte. Man hört stellenweise natürlich, welche musikalische Heimat die vier Beteiligten haben, aber „Werk 1: Nachtfall“ geht auch andere Wege. Die vier kredenzen ein mystisch-theatralisches Dark-Metal-Gemisch mit Doom-, Gothic- und Epic-Metal-Anleihen, und nicht selten werden entfernt auch Erinnerungen an metallischere, weniger bühnenstückorientierte ANGIZIA oder die späteren BETHLEHEM in deren melodischeren Momenten wach („Flammnacht“). Allerdings musizieren MARIENBAD um einiges pathetischer – mehr Bombast, mehr Erhabenheit, und das steht der Band gut zu Gesicht, auch wenn sie es manchmal etwas zu gut damit meint.
Das Album wird übrigens als Doppel-CD veröffentlicht. Einmal liegt das Album in englischer, einmal in deutscher Sprache vor, und ein solcher Kombi-Release ist äußerst selten in der Musiklandschaft anzutreffen, was den Coolnessfaktor der Band natürlich klar steigert. Es fällt beim Hören auf, dass die Scheibe auf Englisch fast schon gewöhnlich tönt, während sie in Deutsch noch exotischer tönt als so manch andere deutsche Düstermetal-Band. Etwas nervtötend ist bei letzterer Version das gerrrrollte „r“, das einfach nur aufgesetzt wirkt.
FAZIT: Man merkt, dass sich Roth und seine drei Sidekicks beim Texten und Komponieren sehr viel Mühe gegeben und sehr viele Gedanken gemacht haben. Künstlerisch ist die Chose demnach wertvoll, nur der Kitsch ist manchmal einfach „too much“.
P.S.: Wie in den Kommentaren zu lesen ist, gab es meinerseits einen gravierenden Recherchefehler (errare humanum est, by the way), denn mit dem in Tschechien liegenden Kurort gleichen Namens hat das von der Band thematisierte Städtchen Marienbad nichts zu tun - es handelt sich stattdessen um ein kleines Dorf in der Nähe von Kamenický Šenov (Steinschönau). Wer sich weiter in die Materie vertiefen möchte, kann dies hier tun:
<a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Kamenick%C3%BD_%C5%A0enov" target="_blank">Wikipedia-Eintrag über Kamenický Šenov</a>
<a href="http://web105.w5100.netcup.net/fhforum/viewtopic.php?t=4078" target="_blank">Schöne Schilderungen von M. Roth im EISREGEN-Forum</a>
Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.05.2011
West
M. Roth
Yantit
Yantit
Allen B. Konstanz
Massacre Recods
jeweils 45:24
27.05.2011