Wusste der Vorgänger und Zweitlangspieler „Enemies“ noch des Rezensenten Blut in Wallung zu bringen, bilden sich bei „Nerve“ Antikörper im Organismus desselben. Was ist also passiert? An der Rezeptur haben MARIONETTE nämlich kaum etwas geändert, nach wie vor zelebrieren die sechs Schweden ein futuristisch-stürmisches Schauspiel, dessen Darsteller Melodic Death Metal, Bombast-Black Metal, STRAPPING DARKANE FACTORY und postmillenialer Extremmetal die Hauptbesetzung bilden.
Doch auf der neuesten Veröffentlichung erscheint vieles unglaublich „overambitious“, es ist „too much“, es springt einem aufdringlich ins Gesicht, und wenn es in epische Gefilde geht, überwiegen Kitsch und Zuckerguss. Zu dem überzeichnet wirkenden Geschehen passt dann leider auch der Sound – Fredrik Nordström (IN FLAMES, DIMMU BORGIR, AT THE GATES, Produktion) und Erik Broheden (RAMMSTEIN, TURBONEGRO, WITHIN TEMPTATION, Mastering) haben definitiv schon bessere Jobs abgeliefert. „Nerve“ tönt einfach völlig überladen, sodass selbst robusteste Ohren zu bluten beginnen. Selbst das geilste Essen ist zum Kotzen, wenn es einem wider den eigenen Willen in den Hals gestopft wird, egal wie satt man schon ist. Gerne würde man sich flüssigen Stickstoff über die Ohren schütten und dann mit dem Finger dagegenschnipsen, statt „Nerve“ noch weiter hören zu wollen.
FAZIT: MARIONETTE sollten aufpassen, dass sie vom ursprünglichen Wandeln auf unkonventionell-alternativen Pfaden nicht zu sehr auf Abwege mit den Namen Selbstkarikatur, Selbstüberschätzung und Selbstauferlegung nicht erreichbarer Ziele geraten. Denn die Selbstdemontage beginnt mit „Nerve“. Hoffen wir, dass die Puppen sich ihre für die Bewegung notwendigen Kordeln nicht selbst durchtrennen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.12.2011
Mikael Medin
Alexander Andersson
Aron Pamerud, Anton Modig
Linus Johansson
Jimmie Olausson
Pivotal
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14.11.2011