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Marten Kantus: Celluloid – Music For Imaginary Films

Stil: Filmmusiken für noch nicht vorhandene Filme

Cover: Marten Kantus: Celluloid – Music For Imaginary Films

„’Celluloid’ ist keine Filmmusik, aber sie könnte eine sein!“ – mit diesen Worten beginnt MARTEN KANTUS auf seiner Homepage die Gedanken, die ihm bei der Aufnahme dieses Albums in den Sinn kamen.

Und natürlich kann da nicht irgendein Kritiker daher kommen, und solchen Gedanken widersprechen. Aber nein, ein Widerspruch wäre diesbezüglich auch in keiner Weise angebracht. Dafür aber eine Klarstellung: „Celluloid“ ist eine KURZ-Film-Musik. Kein Soundtrack, sondern lauter kleine „Soundtrackchen“! Die vertonten, nie produzierten Filme sind mal Monumentalwerke, mal Zeichentrickfilmchen und in ganz besonderen Momenten sogar der pure GUILLAUME YANN TIERSEN, der mit „Die fabelhafte Welt der Amelie“ fast ein wenig die Filmmusik revolutionierte.

„Celluloid“ sind eben genau die Filmmusiken, die ein MARTEN KANTUS im Kopf mit sich herumträgt und mit Hilfe einer Vielzahl von Instrumenten und Technik verwirklicht. Von August 2004 bis zum April 2005 arbeitete er an seinem musikalischen Film, den er zum Glück wohl, wenn ich an sein bisher erstes, noch unbearbeitetes Album denke, im Jahre 2007 neu remasterte. So klingt „Celluloid“ auch herrlich klar und kraftvoll – und da man das Neue nicht nur hören sollte, sondern auch sehen, erhielt diese Ausgabe zugleich ein neues Cover, auf dem statt zweier Filmrollen das Kino „International“ zu sehen ist.

Doch was wir hier zu hören bekommen, ist wortwörtlich NEU! – im Sinne eines MICHAEL ROTHER, der sich auf Sternentaler und Katzenmusiken spezialisierte. Noch hat Kantus als prägendes Instrument seiner Musik nicht die Harfe entdeckt, die ihm auf späteren Alben unweigerlich die Vergleiche mit einem ANDREAS VOLLENWEIDER einbrachte. Vielleicht ist das auch gut so, denn „Celluloid“ verbindet einfache filmische Kunst mit Klangkunst. Aus der Sicht von Marten ist es auch höchste Zeit dafür, denn er ist laut eigener Aussage „ein großer Filmfreund“, der nicht „viele Filmkomponisten schätzt“. Ihn inspirieren eher so unbekannte Filmkomponisten wie ALBERTO IGLESIAS, der die Musiken zu Filmen von PEDRO ALMODOVAR komponierte. Darum werden wohl viele Hörer vergeblich nach diesem „Aha-Effekt“ suchen, der einen überkommt, wenn man an GIORGIO MORODER , MIKE BATT oder sonstwen denkt.

Beim „Trailer“ sehe ich mich über eine sonnenbeschienene Wiese laufen, während am Horizont dunkle Regenwolken aufziehen und sich ein Gewitter ankündigt. Akustische Gitarren und Piano-Tupfer werden von Schlagzeug, Bässen und fetten Keyboards vertrieben, um sich kurze Zeit später wieder zurückzumelden. Wasserrauschen nimmt einen gefangen, genauso wie verträumte Melodien, die sogar einen anspruchsvollen Heimatfilm untermalen könnten. Das sind die Spannungsbögen, die sich der Berliner Multiinstrumentalist von einem Iglesias „abgeschaut“ hat. Romantische Momente stoßen auf bedrohliche, akustische auf bombastische.

„Celluloid“ strebt nach einer Kombination aus progressiver Rock-Gitarre und Elementen der Klassik. So bezeichnet Marten Kantus diese Musik. Wie sollte ich als Kritiker eigentlich dafür eine noch bessere Ausdrucksform finden. Es ist nicht möglich, denn genau das kann man hören. Es verunsichert. Es macht neugierig. Und es nimmt gefangen. Eigentlich ist dies, wohl besonders durch solches ständige Hin und Her, eins der untypischsten Kantus-Alben.

Aber gerade weil ich kein großer Film-, sondern doch eher ein reiner Musik-Fan bin, muss ich wohl hier das Wort an Marten Kantus übergeben, der mir sofort in seiner freundlichen Art per Mail auf meine Inspirations-Anfrage antwortete: „Und dann mag ich JOE HISASHI, einen Japaner, der die Musik zu vielen Filmen von TAKESHI KITANO liefert. Andere Inspirationen kamen aus TV-Serien der 60er Jahre. Da hatte ich keine konkrete Musik im Ohr, aber spezifische, songorientierte Vorgehensweisen, die vor allem bei szenischen Passagen, Übergängen, Fahrten, Zeitsprüngen etc. gut funktionierten. Der Rest waren innere Bilder, keine konkreten Filme, eher Stimmungen, einzelne Szenen usw.“

Mein Gott, der Kantus sollte vielleicht auch mal versuchen, einen Film zu drehen. Wenn der so spannend und abwechslungsreich wie dieses Album wird, das aus 16 kürzeren Musik-Impressionen besteht, dann steht einem Oscar wohl nichts mehr im Wege.

Und ich verabschiede mich jetzt und werde mir erst einmal einen Film von Pedro Almodovar und einen von Takeshi Kitano besorgen. Kantus sei dank!

FAZIT: Die Filmmusik zu einem nie dagewesenen Film, der neben vielfältiger Spannung auch Elemente des Horrors und der (im angenehmen Sinne verstandenen) Volkstümlichkeit enthält. Progressiver Rock trifft auf akustische Klassik, poppige Melodien verschwinden hinter zeitgenössischen Experimenten und Schönklang wird von aggressiven Hardlinern vergewaltigt. Ein Musik-Film für Menschen, die über das Leben nachdenken, statt es einfach nur schönzufärben!

PS: Hiermit kündige ich eine Anti-Frauentags-Musik-Review an, die auf diesen Seiten genau am Internationalen Frauentag, also dem 8. März, das Licht der „männlichen“ Welt erblickt. Dann stoßen musikalische und philosophische Hör- und Gedankengänge aufeinander, wenn das Album „Male“ von Marten Kantus durch mich besprochen wird. Absolute Vorsicht ist geboten, denn was hier ein Kantus von sich geben wird und ein Koß noch untermauert, sollte wohl alle leidenschaftlichen „Emma“-Leserinnen zutiefst erschüttern!

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.03.2011

Tracklist

  1. Trailer
  2. Amber Mood
  3. Main Theme
  4. Transition
  5. Voyage
  6. Outbreak
  7. 1st Red Mood
  8. Blue Mood
  9. Hide
  10. 2nd Red Mood
  11. Black Mood
  12. A Single Fear
  13. Waiting
  14. Walk On
  15. Breathing
  16. 3rd Red Mood

Besetzung

  • Bass

    Marten Kantus

  • Gitarre

    Marten Kantus

  • Keys

    Marten Kantus

  • Schlagzeug

    Marten Kantus

  • Sonstiges

    Marten Kantus (Mandoline & Mundharmonika)

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb

  • Spieldauer

    42:38

  • Erscheinungsdatum

    21.04.2005

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